Deutschland im Babyglück

Frauen bekommen so viele Kinder wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die wirtschaftliche Lage ist dafür ein wesentlicher Grund.
Die Wirtschaft brummt, dem Land geht es ökonomisch so gut wie noch nie, nun gesellt sich dazu auch noch das Kinderglück. 2016 erblickten laut Statistischem Bundesamt hierzulande 792 131 Babys das Licht der Welt, sieben Prozent mehr als 2015 und fast ein Fünftel mehr als 2011. Es war das fünfte Jahr in Folge mit einem Geburtenanstieg, so die Statistiker. Dass dieser Trend mit dem langen Konjunkturaufschwung zusammenfällt, ist kein Zufall. Aber auch die bessere Familienförderung und die Zusammensetzung der Bevölkerung spielen wichtige Rollen.
Für 2016 zählt das Bundesamt durchschnittlich 1,59 Geburten pro Frau, das ist der höchste Wert seit 1973. In allen Bundesländern kamen mehr Kinder zur Welt als im Vorjahr. In den westdeutschen Flächenländern und den Stadtstaaten stieg die Zahl durchschnittlich um acht Prozent. In den ostdeutschen Flächenländern betrug das Plus vier Prozent.
Als einen Grund für die wachsende Zahl von Kindern nennen die Statistiker die Bevölkerungszusammensetzung. Zum einen spielt hier die Migration eine Rolle – knapp 185 000 Kinder wurden von Müttern mit ausländischer Staatsangehörigkeit geboren. Das war ein Anstieg um 25 Prozent im Vergleich zu 2015. Während die Geburtenhäufigkeit bei ausländischen Müttern insgesamt anstieg, nahm zusätzlich der Anteil von Frauen aus Ländern „mit relativ hoher Geburtsneigung“ zu, hieß es. So wurden 21 800 Kinder türkischer Mütter geboren, 18 500 mit syrischer Mutter. Und in 11 800 Fällen hatte die Mutter eines Neugeborenen einen polnischen Pass.
Aktuell mehr Frauen im „wichtigen gebärfähigen Alter“
Doch auch bei Müttern mit deutschem Pass gab es einen Geburtenanstieg um drei Prozent auf rund 608 000. Diese Entwicklung führt das Statistische Bundesamt vor allem darauf zurück, dass es aktuell mehr Frauen im Alter zwischen 30 und 37 Jahren, also in einem „wichtigen gebärfähigen Alter gibt“ und dass sie häufiger als früher Kinder bekommen.
Eine Rolle dürfte aber auch das „günstige familienpolitische Umfeld“ spielen. Die Politik hat hier in den vergangenen Jahren einiges in die Wege geleitet. Seit 2013 existiert ein Rechtsanspruch auf Kitaplätze auch für Kleinkinder. Viele Bundesländer haben Kita-Gebühren ganz oder teilweise abgeschafft, es gibt immer mehr Kindertagesstätten und sie sind besser ausgestattet: Zwischen 2006 und 2015 nahmen die Pro-Kopf-Ausgaben der öffentlichen Hand für Kindertagesbetreuung von 3460 auf 7040 Euro zu, errechnet die Bertelsmann Stiftung. „Dies verdeutlicht die großen Anstrengungen der Länder und Kommunen, die Ganztagsbetreuung auszuweiten“, so die Stiftung. Und schließlich soll die Elternzeit dazu beitragen, Familie und Beruf besser vereinbaren zu können.
Ein wesentlicher Grund, sich den Kinderwunsch zu erfüllen, dürfte aber auch in der guten wirtschaftlichen Situation liegen. Deutschland erlebt derzeit den längsten Aufschwung seit den 60er Jahren. Die Arbeitslosigkeit ist auf Nach-Wende-Tiefs gefallen, die Erwerbstätigkeit erreicht immer neue Rekordhöhen.
Die Bedeutung von Konjunktur und Einkommen für die Fruchtbarkeit belegt auch der Vergleich zwischen Deutschland und anderen europäischen Ländern. Hierzulande steigt die Geburtenziffer seit Jahren an und liegt nun im EU-Mittelfeld, so das europäische Statistikamt Eurostat. Die niedrigsten Geburtenzahlen haben dagegen die Länder im Mittelmeer-Raum, die zwar als kinderlieb gelten, aber am stärksten unter der Euro-Krise gelitten haben.
In Südeuropa sinken die Geburtenzahlen
So liegt die von Eurostat errechnete Gesamtfruchtbarkeitsrate in Deutschland bei durchschnittlich 1,59 Geburten pro Frau. Am unteren Ende der Skala finden sich dagegen Spanien und Italien mit je 1,34 Geburten. Portugal kommt auf 1,36, Zypern auf 1,37 und Griechenland auf 1,38. Zum Vergleich: Im Jahr 2008, also vor der Krise, betrug der Wert für Griechenland noch 1,40 und in Spanien 1,45. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation schieben die Südeuropäerinnen die Familiengründung auch immer weiter auf. Laut Eurostat bekommen sie ihr erstes Kind im Durchschnitt erst nach ihrem 30. Geburtstag.
Der Einfluss von Konjunktur und Arbeitslosigkeit auf die Realisierung des Kinderwunsches ist in vielen Studien belegt worden. Zuletzt untersuchte die Soziologin Chiara Ludovica Comolli von der Uni Stockholm diesen Zusammenhang für den Zeitraum 2000 bis zum Höhepunkt der Euro-Krise im Jahr 2013. Für die meisten europäischen Länder findet sie einen Rückgang der Geburtenraten ab 2008 – dem Jahr, in dem die globale Finanzkrise eskalierte.
Den stärksten Einfluss hatte die Krise auf sehr junge Frauen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren und auf Frauen in ihren späten Dreißigern. Bemerkenswerterweise sanken die Geburtenraten besonders stark dort, wo die Erwerbslosigkeit von Frauen deutlicher zulegte. Das widerspricht der These, dass Frauen Zeiten von Arbeitslosigkeit nutzen, um Kinder zu kriegen oder eine Familie zu gründen.
Das Babyglück ist eben dann besonders schön, wenn es den Eltern auch gut geht.