„Der Tankrabatt ist Unfug“

Thomas Jorberg, Vorstandssprecher der sozial-ökologischen GLS Bank, spricht im FR-Interview über die ersten 100 Tage der Bundesregierung, die hohen Energiepreise und ein Transformationsgeld.
Herr Jorberg, eine große Zeitung bezeichnete Sie kürzlich als den „ersten Ökobänker“. Wie viele andere, die sich seit Jahren für Nachhaltigkeit und Klimaschutz einsetzen, hatten Sie große Erwartungen an die erste Ampel-Koalition der bundesdeutschen Geschichte. Sind die nach den ersten 100 Tagen Regierungszeit zufrieden oder enttäuscht?
Wegen des Krieges gegen die Ukraine muss man die 100-Tage-Bilanz sehr vorsichtig beurteilen. Die neue Regierung muss unter wahnsinnig schwierigen Umständen arbeiten. Allerdings: Was die Transformation unserer Gesellschaft betrifft, hat die Koalition letztendlich kein klares Bild von der Zukunft. Auch beim Klimaschutz ist kein ausreichender Plan sichtbar.
Woran zeigt sich das?
Etwa daran, dass sie jetzt auf die steigenden Energiepreise ohne ein wirkliches Konzept reagiert. Dass wir so hohe Energiepreise haben, könnte auch eine Chance für den Klimaschutz ein. Denn der Preis sorgt dafür, dass sich sofort jede Energieeinsparung, jede regenerative Energieerzeugung und jede Art von Speicherung rechnet. Die Situation müsste aber durch einen echten Sozialtransfers für Bezieher niedriger Einkommen entschärft werden. Ich nenne das nicht Energiegeld wie die Grünen, sondern Transformationsgeld. Dank diesem Zuschuss sollen ärmere Haushalte die Möglichkeit erhalten, aktiv am klimaneutralen Umbau der Gesellschaft teilzuhaben. Damit wäre ein wesentlicher Beitrag zur Lösung der sozialen Probleme geleistet, und der Markt könnte über den Preis das ökologische Problem lösen.
Wer bremst denn in der Ampel-Koalition?
Die größte Enttäuschung ist für mich die FDP. Nicht, dass ich auf diese Partei die größten Hoffnungen gesetzt habe. Aber ich hatte erwartet, dass sich zumindest die mehr interventionistischen Neigungen der Grünen mit den marktwirtschaftlichen der FDP ausgleichen. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Christian Lindner, FDP-Chef und Finanzminister, will mit dem Tankrabatt offenbar das Einmaleins der Marktwirtschaft über Bord werfen.

Den Tankrabatt lehnen Sie strikt ab?
Der Vorschlag ist Unfug. Der Tankrabatt ist ein Bürokratiemonster und kommt denen zugute, die den meisten Sprit verbrauchen. Daran, dass das gerade die Bezieher von Niedrigeinkommen sind, kann man berechtigte Zweifel haben. Und schließlich hebelt der Rabatt den Markt aus. Normalerweise würden sich durch hohe Preise die nachgefragten Mengen reduzieren. Das würde den Preis wieder nach unten schicken. Beides wird ja von der Politik angestrebt, sowohl die Mengen- als auch die Preisreduktion. Aber die FDP scheint Marktwirtschaft komplett vergessen zu haben. Der Preis wird, meine Prognose, übrigens wieder schneller unter zwei Euro pro Liter sinken, als Lindner das Tankgeld einführen kann. Jedenfalls so lange wir noch Gas und Öl aus Russland beziehen.
Was wäre Ihre Alternative?
Schon vor dem Ukraine-Krieg war ich der Meinung, dass wir einen Mindestenergiepreis brauchen. Dazu sollen die bekannten Instrumente wie die CO2-Abgabe dienen. Und dann ist ein Transformationsgeld nötig. Das ist die richtige Antwort. Das Energiegeld ist viel zu kurz gegriffen. Denn im Zuge des Umbaus zur Klimaneutralität wird sich nicht allein die Energie verteuern, sondern im Grunde anteilsmäßig jedes Produkt. Alles, wo Energie drinsteckt, wird teurer werden. Die global gestörten Lieferketten wirken darüber hinaus ebenfalls preiserhöhend.
Die Leute benötigten dieses Transformationsgeld aber doch schnell. Ist das machbar?
Eher jedenfalls, als wenn jede Tankstelle die Belege sammelt, um sie dann beim Finanzamt einzureichen.
Bundesarbeitsminister Heil hat jetzt ein Mobilitätsgeld ins Spiel gebracht. Das soll mit steigendem Einkommen sinken und ab 4000 Euro Monatsbrutto gibt es keinen Zuschuss. Ist das sinnvoller als der Tanknachlass?
Es geht nicht nur um die Spritpreise. Die Energiepreissteigerungen wirken sich dort nur am sichtbarsten und schnellsten aus. Aber auch Lebensmittel, Heizen, Metall und letztendlich fast alle Produkte sind betroffen. Mobilität ist nur der Anfang. Aber das Prinzip, einen einkommensabhängigen Pauschalbetrag zu zahlen, geht in die richtige Richtung.
Interview: Jörg Staude und Joachim Wille