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Flugdrachen erzeugt Strom

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Von: Joachim Wille

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Per Zugseil kann der Drachen weitaus höher steigen als Windräder.
Per Zugseil kann der Drachen weitaus höher steigen als Windräder. © SkySails

Eine in Deutschland entwickelte Flugwindkraftanlage erzeugt auf Mauritius Strom. Das Pilotprojekt könnte den Zugang zu grüner Energie für Regionen erleichtern, die bisher stark von fossiler Energie abhängig sind.

Ein Drachen, der Strom erzeugt? Die Hamburger Firma „SkySails Power“ hat in den vergangenen Jahren einen neuartigen Windkraftanlagen-Typ entwickelt, der Energie aus Höhenwinden erzeugt. Nun steht die Firma damit vor der kommerziellen Einführung. Sie errichtete kürzlich auf der Insel Mauritius im Indischen Ozean zusammen mit einem Energieversorger eine erste Demonstrationsanlage, die Elektrizität in das Inselnetz einspeist. Damit soll die Wirtschaftlichkeit der Technologie speziell für Entwicklungsländer demonstriert und ein Markteintritt in der Region vorbereitet werden, unter anderem in Ostafrika.

Die heute weltweit üblichen, fest auf Türmen installierten Windräder haben im Durchschnitt eine Nabenhöhe von 90 bis 130 Metern und einen Rotordurchmesser von bis zu 90 Metern. Das heißt: Sie holen die Energie aus Höhen von unter 200 Metern. Die so genannten Flugwindkraftanlagen hingegen können aus bisher ungenutzten Höhenwinden Strom machen. Sie steigen mehr als doppelt so hoch.

Der automatisch gesteuerte Energiedrachen von SkySails hat eine Segelfläche von 120 Quadratmetern. Gesteuert wird er von einer Bodenstation mit einer Seilwinde, in die ein Generator integriert ist. Der automatisch gesteuerte Drachen zieht das Seil nach dem Start von der Winde, und der Generator erzeugt dabei Strom.

400 Haushalte können pro Anlage mit Strom versorgt werden

Hat das Zugseil seine maximale Länge von rund 800 Metern erreicht, beginnt die Rückholphase. Der Autopilot steuert den Drachen in eine Position, in der er zwar in der Luft bleibt, die Zugkraft aber minimal ist. Der Generator fungiert dann als Motor und zieht das Seil wieder ein, wobei er aber nur einen Bruchteil der zuvor erzeugten Energie verbraucht.

Das System wiederholt diesen Vorgang immer wieder, solange die Windverhältnisse es erlauben und lässt den Drachen in einer Höhe von 200 bis 400 Metern fliegen. Die von dem Drachen erzeugte Energie kann ins Stromnetz eingespeist oder in Batterien gespeichert werden. Eine Anlage kann etwa 400 Haushalte mit Elektrizität versorgen.

Der Energiedrachen wurde nicht als Konkurrenz zu den herkömmlichen Windkraftanlagen entwickelt, sondern als Ergänzung. Er kommt laut der Herstellerfirma insbesondere in schwer zugänglichen Regionen in Betracht, soll aber auch eine Option in ökologisch sensiblen Landschaften sein. Dank der Konstruktion gebe es nur einen minimalen Schattenwurf, zudem seien die Schallemissionen gering, beschreibt das Hamburger Unternehmen die Vorteile.

SkySails arbeitet an der Windkraft-Technologie seit rund einem Jahrzehnt. Das Unternehmen war ursprünglich mit einem anderen, verwandten Projekt bekannt geworden: Einem Zugdrachen-System als Zusatzantrieb für Hochsee-Schiffe, das Kraftstoff und CO2-Emissionen einsparen sollte. Davon wurde zwar rund zehn Stück verkauft, die Technologie setzte sich aber nicht durch. Das Unternehmen musste 2016 Insolvenz anmelden. Erfolgreich war SkySails aber mit einem sensorbasierten Computersystem zur Optimierung der Schiffsführung gewesen, außerdem konnte dank neuer Geldgeber und weiterer Partner an dem Drachen zur Stromproduktion weitergearbeitet werden.

Das Energiedrachen-Konzept erprobte SkySails Power ab 2019 an einem Standort nahe der Gemeinde Klixbüll in Schleswig-Holstein und damit in einem windreichen Gebiet unweit der Nordseeküste. Haupt-Projektpartner dabei: Die Uni Hannover. Deren Institut für Antriebssysteme und Leistungselektronik entwickelte den Antriebsstrang, der großen Belastungen standhalten muss. Beteiligt waren auch der Energiekonzern Energie Baden-Württemberg (EnBW) und das Unternehmen Omexom Renewable Energies Offshore, das unter anderem die Umweltauswirkungen untersuchte. Im Klixbüll-Projekt habe man große Fortschritte erzielt, insbesondere bei der Automatisierung und der Flugsteuerung, heißt es bei SkySails, so dass nun der nächste Schritt getan werden konnte – auf Mauritius.

Ziel ist es Regionen weniger abhängig von fossiler Energie zu machen

Die Republik Mauritius strebt einen Anteil von 60 Prozent erneuerbarer Energien an ihrem Strommix bis 2030 an. Das SkySails-Projekt könnte hier eine bedeutende Rolle spielen. Die staatliche Behörde für wirtschaftliche Entwicklung und die Erneuerbare-Energien-Agentur des Landes unterstützten den Bau der Pilotanlage, der Netzanschluss wurde vom mauritischen Stromversorger IBL Energy realisiert. SkySails-Chef Stephan Wrage sagte: „Wir sind stolz darauf, unseren Beitrag zu leisten, Mauritius unabhängiger von fossilen Energien zu machen.“ Man wolle beweisen, dass die Windenergie aus Höhenwinden Regionen mit grünem Strom versorgen kann, die wie Mauritius bisher stark von Dieselgeneratoren abhängig sind. Gegenüber diesen ist die neue Windkraft-Technologie laut SkySails bereits konkurrenzfähig. Der Geschäftsführer von IBL, Pierre Egot, unterstreicht das. Das aktuelle Pilotprojekt sei vorerst lokal ausgerichtet. Die Technologie sei aber vielversprechend für einen zukünftigen Einsatz in der gesamten Region um den Indischen Ozean, da die Winde dort stark und regelmäßig wehten.

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