Der Dollar, das Geld der Welt

Die Unzufriedenheit mit der Dominanz des US-Dollar wächst. Die Brics-Staaten versuchen, an seinem Leitwährungsstatus zu sägen. Doch seine Stellung bleibt unangefochten.
Die Welt spürt die Macht des US-Dollar: Steigende Zinsen in den Vereinigten Staaten zwingen alle anderen Länder dazu, ihrerseits Kredite zu verteuern. Die Stärke der US-Währung macht Rohstoffimporte für viele Ökonomien teuer und lässt ihre Devisenreserven schrumpfen. Hohe Zinsen und Dollar-Knappheit bringen Staaten wie Bolivien oder Sri Lanka an den Rand der Krise – und darüber hinaus.
„Jeden Abend frage ich mich, warum alle Länder ihren Handel auf den Dollar stützen müssen“, sagte Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva kürzlich. „Warum können wir nicht auf der Grundlage unserer eigenen Währungen Handel treiben?“ Die Antwort ist simpel: Der US-Dollar ist noch immer das Geld der Welt, und daran wird sich so bald nichts ändern.
Nicht nur die steigenden Zinsen, die verbreitete Dollar-Knappheit im Globalen Süden und die Stärke der US-Währung nähren Kritik an der dominanten Stellung des US-Geldes. Für Unruhe sorgt immer wieder auch die Tatsache, dass die US-Regierung Ländern den Zugang zum Dollar sperrt, um politische Ziele durchzusetzen.
Im Vorfeld seines China-Besuchs forderte Brasiliens Lula daher, die Gruppe der Brics – Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika – solle eine Alternative zum Dollar schaffen. Versuche einer Absetzbewegung gibt es auch an anderen Orten. So stellt Russland seinen globalen Handel auf chinesische Renminbi um. Saudi Arabien erwägt, sein Öl gegen Chinas Währung statt gegen Dollar zu verkaufen. Indien verwendet für Teile seiner Ein- und Ausfuhren die eigene Währung. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte Anfang April, Europa sollte seine Abhängigkeit von der „Extraterritorialität des US-Dollar reduzieren“.
Der Wert von Gütern oder Währungen richtet sich nach ihrem Wechselkurs zum Dollar
Vereinzelt wird die US-Devise im globalen Geschäft also ersetzt. Insgesamt aber bleibt sie das Geld der Welt, an dem sich nicht nur die Güterströme messen, sondern auch alle anderen nationalen Gelder. Was sie wert sind, entscheidet sich an ihrem Wechselkurs zum Dollar.
Die Dominanz der US-Währung zeigt sich nirgendwo deutlicher als im weltweiten Devisenhandel, auf dem 6600 Milliarden Dollar umgesetzt werden – jeden Tag. Laut jüngsten Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) ist der US-Dollar hier an fast 90 Prozent aller Transaktionen beteiligt. Er dient als Vehikel-Währung – so tauscht beispielsweise ein Land seine lokale Währung nicht unbedingt direkt gegen den chinesischen Renminbi, sondern wechselt erst in Dollar und dann von Dollar in Renminbi.
Stark ist die Nachfrage nach dem US-Geld auch, weil weltweit Dollar ge- und verliehen werden. Laut BIS lautet etwa die Hälfte aller internationalen Schuldpapiere und Darlehen auf Dollar. Der Anteil des US-Geldes im grenzüberschreitenden Güterhandel beläuft sich laut BIS ebenfalls auf die Hälfte – obwohl die USA nur etwa ein Zehntel des Welthandels bestreiten.
Der US-Dollar ist eine wichtige Geldanlage
Benötigt wird das US-Geld weltweit zudem als Geldanlage. Schließlich ist der US-Anleihemarkt riesig, mit 51 000 Milliarden Dollar macht er 40 Prozent des Weltanleihemarktes aus. China kommt gerade mal auf 16 Prozent, Deutschland, Frankreich und Italien addiert machen acht Prozent aus. Leicht abgenommen hat allerdings die Bedeutung des Dollar als Devisenreserve der Zentralbanken. Hier ist sein Anteil unter 60 Prozent gefallen. Doch liegt er damit immer noch drei Mal so hoch wie der des Zweitplatzierten, des Euro. Chinas Renminbi kommt nur auf drei Prozent.
Zudem ist der sinkende Dollar-Anteil an den Weltdevisenreserven einem Anstieg des Anteils „kleinerer“ Währungen geschuldet: den Geldern Kanadas, Australiens, Schwedens, Südkoreas und Singapurs. Und bei diesen, darauf weist der britische Wirtschaftshistoriker Adam Tooze hin, handelt es sich nicht um Rivalen des US-Dollars, sondern um „Pfeiler des erweiterten Dollar-Systems“. Dieses Dollar-System beinhaltet zum einen Garantien der US-Zentralbank an die Zentralbanken anderer Länder – auch der Eurozone –, sie im Falle von Krisen mit Dollar-Krediten zu versorgen. Im Gegenzug halten die Länder des Dollar-Systems große Teile ihrer Devisenreserven in der US-Währung, betätigen sich also als verlässliche Kreditgeber der USA. Dieses Kreditverhältnis wird auch militärisch gestützt: Nach Berechnungen des US-Ökonomen Colin Weiss werden drei Viertel aller staatlichen US-Dollar-Devisenreserven von Ländern gehalten, die militärisch mit den USA verbunden sind.

Zu den größten Gläubigern Washingtons gehören neben den westeuropäischen Staaten Japan, Taiwan, Südkorea, Australien, aber auch Indien und die Philippinen – alles Länder, die ein spannungsgeladenes Verhältnis zu China haben und daher die US-Unterstützung brauchen. „Selbst wenn ein Block geopolitisch nicht mit den USA verbundener Staaten sich dazu entschließen würde“, so Weiss, „ihre Dollar-Abhängigkeit im Handel und Finanzierung abzubauen, würde dies kaum die Dominanz des Dollar beenden.“