„Das Gesetz verlangt nichts Unmögliches“

Unionspolitiker Peter Weiß im Interview über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen und die umstrittene zivilrechtliche Haftung bei Verstößen gegen Menschenrechte.
Lange und erbittert hat die große Koalition über ein Lieferkettengesetz gestritten. Auf Druck der Wirtschaftslobby wurde der Entwurf zuletzt noch einmal entschärft. CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß hält das Gesetz, das am Freitag im Bundestag verabschiedet werden soll, für zumutbar.
„Das dümmste Gesetz, das von der großen Koalition verabschiedet wurde“ – so urteilte der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Oliver Zander, kürzlich über das Lieferkettengesetz, an dem Sie beteiligt sind. Was sagen Sie dazu?
Klüger wäre gewesen, er hätte sich erst geäußert, nachdem er den neuen Text kannte. Denn mit den von Union und SPD vereinbarten Präzisierungen greifen wir die wichtigsten Punkte auf, die die Wirtschaft kritisierte. So schließen wir eine zusätzliche zivilrechtliche Haftung von Unternehmen bei Verstößen gegen die Menschenrechte aus.
Warum ist dieses Gesetz nötig?
Wie die meisten Staaten dieser Welt hat die Bundesrepublik Deutschland internationale Abkommen etwa gegen ausbeuterische Kinderarbeit oder den extrem umweltschädlichen Einsatz von Quecksilber beim Goldabbau unterzeichnet. Diese Regelungen sind damit auch geltendes deutsches Recht. Deshalb erwarten Bürgerinnen und Bürger, kirchliche Hilfswerke und Entwicklungsorganisationen, dass hiesige Firmen die Abkommen bei ihren weltweiten Geschäften beachten. Viele Unternehmen praktizieren das ja heute schon.
Aber nicht alle.
So kann man es ausdrücken. Und natürlich muss die Nichtbeachtung solcher internationaler Regeln Konsequenzen haben. Deswegen legen wir fest, dass das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) die Einhaltung künftig kontrolliert und Verstöße mit Bußgeldern ahndet.
Die CDU sieht sich als Wirtschaftspartei. Da schmerzt es, von den Unternehmensverbänden massiv kritisiert zu werden.
Die Union ist Volkspartei. Der ursprünglich vorgelegte Gesetzentwurf der Regierung warf in der Tat eine Menge Fragen auf. Deswegen haben wir ihn überarbeitet. Jetzt ist klargestellt, dass die Unternehmen sich um die Einhaltung der Menschenrechte auch in ihren ausländischen Zulieferfabriken bemühen müssen. Wenn das Bemühen aber keinen Erfolg hat, brauchen die Firmen ihre Geschäftsbeziehungen nicht abzubrechen. Aber manchmal finden sich auch Alternativen.
In der chinesischen Provinz Xinjiang kommt es wohl zu Menschenrechtsverletzungen der Regierung gegen die Bevölkerung. Müssen deutsche Firmen künftig darauf verzichten, beispielsweise Baumwolle von dort zu verwenden?
Zwangsarbeit ist verboten, wir können sie nicht dulden. Wenn in einem Land solche Unterdrückung praktiziert wird, sollten deutsche Unternehmen darauf drängen, dass ihre Partner sich nicht mitschuldig machen.

Und wenn diese dem Wunsch nicht nachkommen?
Dann bleibt der Konflikt möglicherweise bestehen. Es kommt darauf an, dass sich hiesige Firmen um die Menschenrechte bemühen. Aber deutsche Unternehmen können nicht die Revolution in China ausrufen. Das heißt, dass Menschenrechtsverletzungen weiter geschehen können, trotz aller Anstrengungen, die hiesige Betriebe leisten. Das muss man sich eingestehen. Dieses Gesetz verlangt Mögliches, nicht Unmögliches.
Trotzdem befürchten gerade mittelständische Firmen, sie sollten die Herkunft ihrer Vorprodukte bis in den letzten Winkel der Welt zurückverfolgen.
Wer Rohstoffe von einem konkreten Lieferanten kauft, kann über diesen Informationen einholen. Das machen die Firmen heute schon. Werden die Rohstoffe jedoch an einer Börse gehandelt, erlegen wir den deutschen Unternehmen keine Verpflichtung auf, Nachweise über die Herkunft der Materialien zu erbringen.
Sie sind auch Katholik und Sozialpolitiker. Ist es für Sie selbstverständlich, dass allen Menschen, egal ob sie in Deutschland arbeiten, China oder Bangladesch, dieselben universellen Menschenrechte zustehen?
Natürlich. Die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation wie das Verbot der Kinder- und Zwangsarbeit gelten weltweit.
Warum sollen dann hiesige Firmen nicht auch nach hiesigem Recht vor hiesigen Gerichten haften, wenn Zulieferarbeiter:innen Entschädigung für Menschenrechtsverletzungen verlangen? Ihre Änderungen am Gesetz erschweren das erheblich.
Die normale zivilrechtliche Haftung, die schon besteht, wird nicht abgeschafft. Wir wollen nur keine zusätzliche Haftung ermöglichen. Die Kontrollen durch das Bundesamt und die Bußgelder werden zur Disziplin und Ernsthaftigkeit der Firmen beitragen.
Interview: Hannes Koch