Cum-Ex: Lange Haft für Hanno Berger verlangt

Im Wiesbadener Prozess fordert die Staatsanwaltschaft zehneinhalb Jahre für den Steueranwalt.
Der Angeklagte im Cum-Ex-Prozess schüttelt den Kopf, er raunt seinen Verteidigern etwas zu, die aber nicht reagieren. Das, was der Steueranwalt Hanno Berger am Donnerstag in der Ausweichhalle des Landgerichts Wiesbaden zu hören bekommt, missfällt ihm ganz offenkundig.
Als „narzisstisch“ schätzt die Staatsanwaltschaft den 72-Jährigen ein, der als Konstrukteur von kriminellen Geschäften gilt, mit denen sich Superreiche nie gezahlte Steuern vom Staat holten. Er sei nicht in der Lage, eigene Fehler einzusehen, sagt Staatsanwalt Stephan Wiens. Selbst sein Pflichtverteidiger Sebastian Kaiser berichtete, dass es „oft schwierig“ gewesen sei, Berger zu vertreten, der häufig nicht auf Ratschläge gehört habe.
Aber diese Bewertungen seiner Persönlichkeit dürften nicht das Unangenehmste sein für den sehr selbstbewussten Berger. Stärker fällt ins Gewicht, dass die Anklagebehörde zehneinhalb Jahre Haft für ihn fordert. Im Dezember war Berger bereits in einem weiteren Cum-Ex-Verfahren vom Landgericht Bonn zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Oberstaatsanwalt: „Dreister Griff in die Staatskasse“
Bergers Verteidigung plädierte auf Freispruch. In jedem Fall sei der Strafantrag der Staatsanwaltschaft deutlich überhöht, sagte Kaiser.
Als „dreisten Griff in die Staatskasse“ bewertete Oberstaatsanwalt Christoph Weinbrenner die Berger zur Last gelegten Taten. Besonderes Lob von der Anklagebehörde erhielten zwei Wiesbadener Steuerprüfer. Ohne ihre Hartnäckigkeit, die sie trotz „massiven Einschüchterungsversuchen“ Bergers gezeigt hätten, wäre das Konstrukt nicht aufgeflogen, urteilte Weinbrenner.
Der ehemalige hessische Finanzbeamte Berger gilt als eine treibende Kraft bei den Aktiengeschäften, bei denen ein Verwirrspiel rund um den Dividendenstichtag inszeniert wurde, damit der Fiskus nicht gezahlte Steuern erstattete. Bei den Geschäften des milliardenschweren Investors Rafael Roth, die von Berger vermittelt und von der Hypovereinsbank abgewickelt wurden, sei das Finanzamt um insgesamt 113 Millionen Euro geprellt worden – nämlich jeweils 24, 40 und 49 Millionen Euro in den Jahren 2006, 2007 und 2008.
Berger hat davon laut der Anklagebehörde nur einen „vergleichsweise geringen“ Anteil erhalten, nämlich einen „einstelligen Millionenbetrag“. Dazu gehöre ein „Erfolgshonorar“ von 2,3 Millionen Euro, das er sich mit einem Mittäter geteilt habe. Daher solle Berger 1,15 Millionen Euro zahlen. Der große Steuerschaden sei bereits von der Firmengruppe des verstorbenen Rafael Roth und von den Banken zurückgezahlt worden.
Berger hat versucht, Cum-Ex-Geschäfte als rechtmäßig erscheinen zu lassen
Ein Lob erhielt die Hypovereinsbank (HVB) vom Prozessvertreter der hessischen Finanzverwaltung. Zwar seien Mitarbeiter ihres Instituts an den Deals beteiligt gewesen. Dann aber habe die HVB so umfassend zur Aufklärung beigetragen, wie es leider im Bankensektor nach dem Auffliegen der Cum-Ex-Geschäfte nicht üblich sei. Bergers Verteidigung betonte dagegen die Verantwortung der Bank.
Nach Überzeugung der Anklagebehörde hat Berger versucht, die Finanzbehörden und die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Cum-Ex-Geschäfte rechtmäßig gewesen waren. So habe er zwei Professoren angeworben, die in Artikeln eine entsprechende steuerrechtliche Auffassung publiziert hätten. Staatsanwalt Wiens fügte hinzu, dabei sei im Grunde auch für Laien klar: „Man darf nicht einfach Geld aus der Kasse nehmen.“
Die Staatsanwaltschaft bezeichnete Berger als „Führungskopf einer Bande“. Es sei aber falsch, ihn als „Erfinder von Cum-Ex“ zu bezeichnen. Das Cum-Ex-Modell sei bereits von Banken praktiziert worden, Berger habe ein Investitionsmodell für Superreiche daraus gemacht.
Warten auf Hanno Bergers Stellungnahme
Berger hatte sich in die Schweiz geflüchtet, um den Prozessen in Deutschland zu entgehen. Die Schweizer Behörden lieferten ihn aber aus. Sowohl die dortige Auslieferungshaft als auch die Untersuchungshaft, in der Berger seit Februar 2022 in Deutschland einsitzt, würden auf die Haftdauer angerechnet, wenn Berger verurteilt wird.
Seine Verteidigung machte deutlich, dass im Zeitraum 2006 bis 2008 weder Gesetze noch Urteile vorgelegen hätten, die das Cum-Ex-Modell untersagt hätten. Im Gegenteil: Das Jahressteuergesetz 2007 sei ein „Brandbeschleuniger“ für dieses Geschäftsmodell gewesen. Erst 2012 habe der Gesetzgeber die unerwünschten Geschäfte gesetzlich unterbunden.
An den nächsten Verhandlungstagen hat Hanno Berger Gelegenheit, selbst Stellung zu nehmen. Das dürfte er ausführlich tun. Drei Verhandlungstage sind dafür vorgesehen. Das Urteil könnte dann am 30. Mai fallen.
Az.: 6 KLs-1111 Js 18753/21