Ihre Rechte in der Corona-Krise: Was tun, wenn die Firma durchhängt?
Was Beschäftigte über ihre Rechte in angeschlagenen Unternehmen in Zeiten von Corona wissen sollten.
- In der Corona-Krise geht es vielen Firmen schlecht.
- Immer häufiger drohen Kündigungen.
- Welche Rechte habe ich als Arbeitnehmer in der Krise?
Die große Welle an Insolvenzen infolge der Corona-Pandemie ist bislang ausgeblieben. Doch das liegt nach Ansicht von Experten vor allem am Handeln der Regierung: Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bedeutet eben nicht, dass es den Firmen gut geht – sie müssen ihren Zustand bloß nicht sofort offenlegen. Experten der Wirtschaftsauskunft Creditreform sind sich daher sicher, dass die Insolvenzwelle „nur vertagt“ ist und demnächst durch die deutsche Wirtschaft rollen wird.
Umso eifriger versucht das Management vieler Unternehmen in diesen Tagen, die Kosten wieder unter die schwindenden Ausgaben zu drücken. Das Wort, um die Einsparungen etwas professioneller klingen zu lassen, lautet hier meist „Restrukturierung“. Was für die Geschäftsführung ein notwendiges Übel ist, erscheint den Arbeitnehmern als Schreckensszenario. Doch auch wer von Restrukturierungen betroffen ist, hat Rechte.

Was bedeutet es, wenn in meinem Betrieb eine Restrukturierung ansteht?
Das Unternehmen will sich auf Effizienz trimmen. In der Regel ist das auch mit einem Personalabbau verbunden. „Das bedeutet aber nicht in erster Linie betriebsbedingte Kündigungen“, sagt Alexander Greth, Experte für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Simmons & Simmons in Düsseldorf. Im ersten Schritt trennen die meisten Firmen sich von Leiharbeitnehmern und lassen befristete Verträge auslaufen. Dann versucht die Geschäftsführung in der Regel einen möglichst sozialverträglichen Personalabbau. Sie wird dafür, soweit erforderlich, mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und die Aufstellung eines Sozialplans verhandeln.
Was bedeutet der Interessenausgleich?
Vertreter der Geschäftsführung setzen sich mit dem Betriebsrat zusammen und besprechen, wie die Umstrukturierung ablaufen soll. „Der Betriebsrat hat oft die Befürchtung, dass der Personalabbau zu Arbeitsverdichtung führt“, sagt Greth. Die Arbeitnehmervertreter diskutieren mit der Leitungsebene dann konkret, wie die Schichten besetzt werden könnten. Der Betriebsrat will zudem Kündigungen vermeiden.
Welche Alternativen gibt es zur Kündigung?
Die Firmen versuchen es in Absprache mit dem Betriebsrat meist zunächst mit freiwilligen Lösungen wie Abfindungsangeboten. „Nach vielen guten Jahren widersprechen Kündigungen oft regelrecht der Unternehmenskultur“, sagt Greth. Die erste Wahl ist meist ein Vorruhestandsprogramm. Dabei lässt sich beispielsweise auch darauf spekulieren, dass Mitarbeiter, die über 63 Jahre alt sind, für zwei Jahre Arbeitslosengeld beziehen können und damit die Zeit bis zum formalen Renteneintritt überbrücken. Wenn Vorruhestandsprogramme bereits aus früheren Wellen des Personalabbaus ausgeschöpft sind, sind auch reguläre Abfindungsangebote an jüngere, aber wechselwillige Beschäftigte möglich.
Wie hoch wäre eine angemessene Abfindung?
Das variiert je nach Branche und Region. Ein Textilunternehmen in einer strukturschwachen Region wird sich womöglich nur ein halbes Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit leisten können, ein Chemieunternehmen in einem Wirtschaftszentrum wird eher ein volles Monatsgehalt je Betriebsjahr bieten müssen. Greth zufolge sind solche Abfindungsangebote der Favorit der Firmenleitung zur Vermeidung von Kündigungen. Bei der betriebsbedingten Kündigung ist eine Sozialauswahl durchzuführen; dabei muss sie oft Mitarbeiter gehen lassen, die sie gerne halten möchte.
Muss ich mich zu niedrigerem Lohn in eine Tochtergesellschaft abschieben lassen?
Ein Arbeitgeber muss das nicht ohne Weiteres akzeptieren. „Er kann dem Übergang widersprechen“, sagt Greth. Wenn er oder sie das macht, dann droht allerdings die betriebsbedingte Kündigung. Man sollte es also zumindest in Erwägung ziehen, das Arbeitsverhältnis beim „neuen“ Arbeitgeber fortzusetzen.

Muss ich eine Degradierung hinnehmen?
Wer auf eine minderwertige Stelle versetzt werden soll, muss auch das nicht ohne Weiteres hinnehmen. Der Lohn und die Jobbeschreibung sind schließlich die wichtigsten Teile des Arbeitsvertrags. Andererseits steckt in schwierigen Zeiten hinter so einem Vorschlag oft auch der ernst gemeinte Versuch, Mitarbeiter zu halten. Das Mittel dazu ist eine „Änderungskündigung“. Das bedeutet: Der Arbeitgeber beendet das alte Arbeitsverhältnis und bietet zugleich ein neues zu anderen Bedingungen an.
Was mache ich bei einer Änderungskündigung?
Wer mit einer Änderungskündigung konfrontiert ist, hat laut Anwalt Greth drei Möglichkeiten: Er kann das Angebot vorbehaltlos annehmen, er kann es rundheraus ablehnen und wird dann eventuell entlassen, oder er kann es unter dem Vorbehalt annehmen, die Rechtfertigung der Kündigung vor Gericht prüfen zu lassen. Der Rechtsexperte empfiehlt die Annahme unter Vorbehalt. Wenn das Gericht entscheidet, dass die Kündigung nicht gerechtfertigt war, gibt es den alten Job zurück. Wenn der Arbeitnehmer vor Gericht verliert, kann er auf den neuen, schlechteren Job wechseln.
In meinem Unternehmen läuft noch Kurzarbeit, wann ändert sich das?
Wenn sich die Auftragslage stabilisiert, dann muss auch die Kurzarbeit enden. „Als Grundsatz muss der Arbeitgeber darauf achten, die übliche betriebliche Arbeitszeit wieder einzuführen, sobald die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen“, sagt Aziza Yakhloufi, Expertin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Rödl & Partner in Eschborn.
Was, wenn der Arbeitgeber mich trotzdem noch länger auf kürzerer Arbeitszeit halten will?
Wenn der Betrieb die Arbeitszeit eines Mitarbeiters wesentlich ändern will, geht das nur einvernehmlich oder über eine Änderungskündigung. „Arbeitszeit ist ein wesentlicher Teil der Konditionen des Arbeitsvertrags“, sagt Yakhloufi. Sie lasse sich nicht einseitig ändern.
Ist eine Entlassung aus der Kurzarbeit heraus möglich?
Einige Unternehmen sehen keine Perspektive zur völligen Rückkehr auf das Vorkrisenniveau – beispielsweise in Branchen, die länger unter der Pandemie leiden. „Grundsätzlich sind betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen“, sagt Anwältin Yakhloufi. Der Arbeitgeber muss jedoch begründen, warum die Arbeitsplätze dauerhaft wegfallen. Die Rechtsprechung sieht die Kurzarbeit als Anzeichen dafür, dass der Ausfall nur kurzfristig auftritt. Die Firma muss also erklären, warum die Einschätzung sich geändert hat.