Trotz Drohungen aus China: USA und Taiwan wollen Zusammenarbeit weiter stärken
Chinas Drohungen halten Taiwan und die USA nicht davon ab, immer enger miteinander zusammenzuarbeiten. Nun verkündeten beide Länder, in Handelsfragen enger kooperieren zu wollen.
München/Washington/Taipeh – Für Chinas politische Führung gingen in dieser Woche die Sommerferien zu Ende: Zwei Wochen lang waren Staats- und Parteichef Xi Jinping sowie weitere aktuelle und ehemalige Mitglieder aus Pekings oberster Führungsriege zu ihrer traditionellen Sommerfrische im Badeort Beidaihe zusammengekommen – zum gemeinsamen Planschen im Meer und zu konspirativen Hintergrundgesprächen.
Die Erholung war wohl nötig, denn kaum zurück in der Hauptstadt, drohen neue Verstimmungen mit den USA: Am Donnerstag kündigten die Regierungen in Washington und in Taiwans Hauptstadt Taipeh an, formelle Handelsgespräche im Rahmen einer neuen Initiative aufnehmen zu wollen. Die erste Runde solle im „frühen Herbst“ stattfinden, so das Büro der US-Handelsbeauftragten Katherine Tai. Beide Seiten wollten die Handels- und Investitionsbeziehungen vertiefen.

Für China ist Annäherung an Taiwan ein Tabu
Für Peking ist jede Annäherung eines anderen Landes an Taiwan ein Tabu: Die Volksrepublik betrachtet den demokratisch regierten Inselstaat als Teil des eigenen Territoriums und droht seit Jahren mit der militärischen Eroberung Taiwans. Im Rahmen seiner „Ein-China-Politik“ würde Peking am liebsten sämtliche Kontakte ausländischer Regierungen mit Taipeh unterbinden – was zuletzt allerdings nicht wirklich geklappt hat: Zunächst besuchte mit Parlamentsvize Nicola Beer die bislang ranghöchste EU-Vertreterin Taiwan. Wenig später flog Nancy Pelosi, die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, nach Taipeh. Am vergangenen Montag empfing Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen dann noch fünf US-Kongressabgeordnete unter Leitung des demokratischen Senators Ed Markey im Präsidentenpalast.
Nach Pelosi-Besuch: China reagiert mit Militärmanövern rund um Taiwan
Auf den Pelosi-Besuch reagierte Peking so aufgebracht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Rund um Taiwan ließ die Volksrepublik Militärmanöver abhalten, die deutlich länger dauerten als zunächst angekündigt. Dabei wurden unter anderem eine See- und Luftblockade sowie eine mögliche Eroberung geübt. Auch wurden elf ballistische Raketen gestartet, von denen eine erstmals direkt über Taiwan flog – und das auch noch unweit der Hauptstadt.
Später kündigte China weitere Manöver an: Die Volksbefreiungsarmee werde Übungen in der Luft und zur See um Taiwan abhalten, um die USA und Taiwan abzuschrecken, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Wu Qian. Chinas Militär werde sich weiter „für einen Krieg vorbereiten“, die Souveränität Chinas verteidigen und den Separatismus in Taiwan und ausländische Einmischungsversuche niederschlagen.
China und Taiwan: USA kündigen „ruhige, aber entschlossene Maßnahmen“ an
Die jüngsten Militärmanöver Chinas seien Teil einer Kampagne, um Taiwan „einzuschüchtern, zu nötigen und seine Widerstandsfähigkeit zu untergraben“, sagte Washingtons oberster Ostasien-Gesandter Daniel Kritenbrink am Donnerstag. Pekings Worte und Taten seien „zutiefst destabilisierend“ und bedrohten die Sicherheit in der Straße von Taiwan. Washington werde mit „ruhigen, aber entschlossenen Maßnahmen“ reagieren, um die Straße von Taiwan offen und friedlich zu halten.
Die USA unterhalten seit 1979 keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan mehr, unterstützen die Regierung in Taipeh allerdings mit Waffenlieferungen. Die Handelsgespräche, deren Beginn nun angekündigt wurde, sollen die inoffiziellen Beziehungen zwischen beiden Ländern verstärken. Washington und Taipeh hatten die US-Taiwan-Initiative zum Handel bereits im Juni vorgestellt. Die Verhandlungen laufen unter dem Dach der inoffiziellen Vertretungen beider Seiten: des Amerikanischen Instituts in Taiwan (AIT) und der Taipeh Wirtschafts- und Kulturvertretung (Tecro) in Washington. „Wir planen, einen ehrgeizigen Fahrplan zu verfolgen“, teilte das Büro der US-Handelsbeauftragten mit.
USA und Taiwan betonen gemeinsame Werte – China reagiert auf Pelosi-Besuch mit Importstopp
Die jeweiligen Handelsprioritäten sollen auf der Grundlage gemeinsamer Werte vorangetrieben sowie Innovation und integratives Wachstum gefördert werden. Es soll um Handelserleichterungen, regulatorische Fragen, Kampf gegen Korruption und mehr Handel zwischen kleinen und mittelgroßen Unternehmen sowie mit Gütern aus der Landwirtschaft gehen. Washington nannte auch die Beseitigung von Benachteiligungen, digitaler Handel, Umwelt- und Arbeitsstandards und wettbewerbsverzerrende Praktiken.
Taiwan will damit seine wirtschaftlichen Fähigkeiten stärken sowie mehr Investitionen aus den USA und aus anderen Ländern anziehen. Auch will es sich perspektivisch anderen Handelspakten anschließen, wie das Büro für Handelsgespräche (OTN) in Taipeh mitteilte. Ausdrücklich genannt wurde hier das asiatisch-pazifische Freihandelsabkommen CPTPP. Taiwans Präsidentin Tsai sprach bei Twitter von „einem wichtigen Schritt“ für die Handelsbeziehungen beider Länder. „Ich werde weiterhin die gemeinsame wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage unserer gemeinsamen Werte fördern.“
Als Reaktion auf Pelosis Besuch hatte China auch den Import von Hunderten landwirtschaftlichen Produkten aus Taiwan sowie die für die Insel wichtige Lieferung von Sand vom Festland gestoppt, um den Druck auf Taipeh zu erhöhen. „Durch wirtschaftliche Zusammenarbeit können sich Taiwan und die USA gemeinsam der wirtschaftlichen Nötigung durch China widersetzen“, sagte Kabinettssprecher Lo Ping-cheng zu den Handelsgesprächen.
Chinas Wirtschafts leidet unter Corona-Lockdowns und extremer Hitze
In der Volksrepublik wachsen unterdessen die Sorgen um ein weiteres Abkühlen der Wirtschaft. Am Dienstag sagte Premier Li Keqiang bei einem Besuch der südchinesischen Hightech-Metropole Shenzhen, die Wirtschaft des Landes müsse derzeit gegen „Schocks jenseits der Erwartungen“ ankämpfen. „Jetzt ist der kritischste Augenblick für die wirtschaftliche Erholung“, sagte der Premier nach amtlichen Angaben. Vor allem Chinas Festhalten an der Null-Covid-Strategie, die immer wieder zu Lockdowns ganzer Städte führt, belastet die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.
Zudem leiden Teile des Landes derzeit unter extremer Hitze. In der westlichen Provinz Sichuan, in der viele chinesische und ausländische Unternehmen Produktionsstandorte unterhalten, wurde der Strom für Fabriken rationiert. Wegen der hohen Temperaturen in der Provinz mit 84 Millionen Menschen ist der Stromverbrauch für Klimaanlagen aktuell sehr hoch, gleichzeitig liefern die Wasserkraftwerke wenig Elektrizität. Sichuan bezieht normalerweise 80 Prozent des benötigten Stroms aus Wasserkraft und beliefert damit auch Industriegebiete an der Ostküste.
Peking hatte zuletzt für das zweite Quartal des Jahres ein Wachstum von nur 0,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gemeldet. Das im Frühjahr ausgegebene Wachstumsziel von 5,5 Prozent gilt Experten zufolge als nicht mehr erreichbar. (sh/dpa/AFP)