Deutsche Bürokratie bremst Start-ups aus

Eine Studie zeigt: Menschen mit Migrationshintergrund kämpfen beim Gründen mit Vorurteilen und der deutschen Verwaltung.
Bevor Andrea Fernandez nach Deutschland kam, hat sie schon in vielen verschiedenen Staaten gelebt. Geboren ist die Unternehmerin in Costa Rica, in ihrer Jugend zog es sie unter anderem nach Bolivien, Brasilien und Frankreich. In den Vereinigten Staaten studierte Fernandez an der Harvard Business School und arbeitete an der Wall Street. Vor 14 Jahren kam sie nach Deutschland – und traute sich trotz ihrer erfolgreichen Karriere lange nicht, hier ein eigenes Unternehmen zu gründen.
Bei der Präsentation des „Migrant Founders Monitor“, einer Studie des Start-up-Verbands und der Friedrich-Naumann-Stiftung, berichtet Fernandez am Donnerstag über die Hindernisse, die Menschen mit Migrationserfahrung bei der Gründung eines Unternehmens in Deutschland überwinden müssen: „Von allen Ländern, in denen ich gelebt habe, ist die Integration in Deutschland am schwierigsten.“ Im Ausland sei man oft offener und risikobereiter. Letzteres hält Fernandez für eine entscheidende Eigenschaft, um als Standort für Gründer:innen attraktiv zu sein. Neben der Sprachbarriere kämpfte Fernandez bei der Gründung von Vitamin, einem Unternehmen, das eine Finanz-App für Frauen anbietet, vor allem damit, in Deutschland Zugang zu Netzwerken und damit zu Kapital zu erlangen. Auch die deutsche Bürokratie macht ihr immer wieder zu schaffen.
Gründerinnen und Gründer mit Migrationshintergrund haben es bei Behörden und Ämtern schwer
Erfahrungen, die Fernandez der Studie zufolge mit vielen Kolleg:innen mit Migrationshintergrund teilt. Gut 20 Prozent aller Gründer:innen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. 42.2 Prozent davon gaben bei der Befragung an, beim Kontakt mit Behörden und Ämtern schon einmal im Vergleich zu Gründer:innen ohne Migrationshintergrund im Nachteil gewesen zu sein. Bei Banken sehen sich gut 30 Prozent der Befragten benachteiligt, gut 20 Prozent bei der Suche nach Investor:innen.
Ein Umstand, an dem Manuel Höferlin gerne etwas ändern würde. Der Abgeordnete ist innenpolitischer Sprecher der FDP im Bundestag und mit der Modernisierung der Verwaltung und dem Einwanderungsgesetz für Fachkräfte beschäftigt. Besonders bei letzterem habe Deutschland erheblichen Nachholbedarf, so Höferlin: „Deutschland ist schon seit Langem ein Einwanderungsland, aber ohne Migrationssystem.“ Durch den geregelten Zuzug von Fachkräften soll es auch Gründer:innen erleichtert werden, nach Deutschland zu kommen.
Bewusstsein für schwere Lage für Start-ups von Menschen mit Migrationshintergrund wächst
Der Migrants Founders Monitor zeigt, dass nur die wenigsten die geplante Gründung eines Unternehmens als Anlass nehmen, nach Deutschland zu kommen. Knapp die Hälfte der befragten Unternehmer:innen ist schon früher eingewandert, vor allem um in Deutschland zu studieren oder hier einen Job anzunehmen. Nur etwa acht Prozent kamen für die Gründung selbst.
Um als Standort für Start-up-Gründungen attraktiver zu werden, hat Deutschland also noch Nachholbedarf. Andrea Fernandez lobt Deutschland zwar für den guten Zugang zu jungen Talenten, die Unternehmen hier zur Verfügung stehen, insbesondere in Städten wie Berlin, Frankfurt oder München. Auch das Bewusstsein für die spezifischen Herausforderungen, die in Deutschland auf Gründer:innen mit Migrationshintergrund warten, sei in den letzten Jahren bei allen Beteiligten gewachsen, sagt Vanusch Walk, der für den Start-up-Verband an der Studie beteiligt war.
Um Menschen mit Migrationshintergrund das Gründen zu erleichtern, braucht es Fernandez zufolge aber noch mehr Programme zum Mentoring und Coaching, bessere Netzwerke innerhalb der migrantischen Start-up-Community – und eine deutsche Öffentlichkeit, die bereit ist, die eigenen Vorurteile in Bezug auf die Herkunft eines Menschen zu hinterfragen.