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"Bruderhähnchen" gegen den sinnlosen Küken-Tod

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Von: Martin Brust

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Viele der männlichen Küken werden getötet.
Viele der männlichen Küken werden getötet. © rtr

Für jede gezüchtete Legehenne wird im Schnitt ein männliches Küken getötet. Der Biomarkt Alnatura setzt nun ein Zeichen und verkauft "Bruderhähnchen".

Rund 40 Millionen Legehennen gibt es in Deutschland. Ihr Produktionszyklus beträgt im Schnitt 15 Monate, dann lässt die aus betriebswirtschaftlicher Sicht gewünschte Legeleistung nach, die Hennen werden geschlachtet und neue kommen in den Stall.

Weil aber selbst in der industriellen Hühnerproduktion noch immer statistisch betrachtet aus jedem zweiten Ei ein Hahn schlüpft und Hähne noch immer keine Eier legen, stirbt für jede gezüchtete Legehenne ein männliches Küken. Wenn es Pech hat, wandert es nach der Geschlechtsselektion per Fließband in einen Schredder, verharmlosend gerne auch mal Homogenisator genannt.

Hat es Glück, wird es vergast. Hat es sehr viel Glück, so hat seine Mutter ihre Eier bei einem Zuchtbetrieb der Bruderhahninitiative Deutschland (BID) gelegt. Denn dann wird das Küken nicht getötet, sondern wächst fünf Monate zu einem Hahn heran. Erst der wird geschlachtet und zu Hühnerbraten oder Babybrei verarbeitet. „Wenn eine vierköpfige Familie circa zehn Eier in der Woche verbraucht“, argumentiert BID, „reicht der Verzehr von zwei Festtags-Bruderhähnen im Jahr, um eine ausgeglichene Hahn-Henne-Ei-Bilanz zu ermöglichen“.

Bratwurst aus Hähnchenfleisch angekündigt

Gerettet, um zu sterben, das ist das Schicksal der ökologisch nach Bio-Standards gezüchteten BID-Hühner. 2012 wurde BID von einem Bauern und drei Naturkostläden gegründet. Mittlerweile haben sich ihr 30 landwirtschaftliche Betriebe angeschlossen, außerdem Verarbeiter und Großhändler. Auch die großen Bio-Ketten haben solche Initiativen ausgerufen und vermarkten Eier mit Aufpreis, der in die Aufzucht der Hähne fließen soll. Bruderherz heißen sie bei Basic, eine Bruderküken-Initiative hat Alnatura gestartet. Die Südhessen bringen derzeit das erste Produkt in die Läden, mit dem sie das Fleisch vermarkten: Püriertes Hähnchen-Fleisch, das als Zusatz in Baby-Gemüsebrei eingerührt werden kann.

Als nächstes soll 2018 die Vermarktung eines Geflügel-Bratwürstchens starten, das aus Hähnchenfleisch hergestellt wird. „Da ist derzeit unsere Herausforderung, die optimale Konsistenz zu finden“, so Alnatura-Sprecherin Stefanie Neumann. Die Hähne auch klassisch als Filetstücke – Hähnchen- statt Hühnerbrust – zu vermarkten, hält sie derzeit noch nicht für erfolgversprechend. „Die Kunden müssen sich an das dunklere und festere Fleisch noch gewöhnen, da Hühnerbrust klassischerweise eher hell ist.“

25 Millionen Eier mit Aufpreis seit dem Start verkauft

Bei der Bio-Kette Basic stammen aktuell „68 Prozent der Eier von Betrieben, die männliche Küken nicht direkt nach dem Schlüpfen töten, sondern aufziehen und für eine Fleischnutzung verwenden“, teilt Unternehmenssprecher Manuel Zalles-Reiber mit. „Wir arbeiten daran, das Sortiment im Jahr 2018 auf 100 Prozent umzustellen.“ Die Resonanz der Kunden sei hervorragend, das zeige sich in der Nachfrage ebenso wie im Feedback. Bei Basic sind bereits etliche Produkte aus dem Fleisch der Hähne erhältlich, darunter Landhuhn in Brühe sowie Brat- und verschiedene andere Würste. Die Gockel werden außerdem zu Suppe und Fond, Frikassee und Bolognese verarbeitet.

Die Vermarktung der Bruderhahn-Eier war noch nie ein Problem. Bei BID beteiligte Naturkostläden berichteten schon 2013 von Absatz- und Umsatzsteigerungen bis zehn Prozent trotz des Preisaufschlags von vier Cent je Ei. Seit Start der Initiative wurden rund 25 Millionen Eier mit Aufpreis verkauft – Mehreinnahmen von zehn Millionen Euro. Die Vermarktung ganzer Tiere oder größerer Teile - Schenkel oder Brust - klappt hingegen nur mit „Ach und Krach“, so Pamela Wieckmann von BID.

Alnatura ist mit Versuchen in den Jahren 2014 und 2015 in die Bruderküken-Aufzucht eingestiegen, hat im Oktober 2016 seine Initiative offiziell gestartet und vermarktet die Eier flächendeckend seit April dieses Jahres mit einem Aufpreis von fünf Cent. Seit diesem Herbst werden unter der eigenen Marke ausschließlich Eier aus Bruderhahn-Aufzucht verkauft. Basic ist bereits seit 2013 in diesem Bereich aktiv.

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