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Bombiges Geschäft

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Von: Thomas Borchert

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Aus Saabs Waffenschmiede: das Mehrzweckkampfflugzeug Gripen 39 (Schwedisch für „der Greif“).
Aus Saabs Waffenschmiede: das Mehrzweckkampfflugzeug Gripen 39 (Schwedisch für „der Greif“). © AFP

Europäische Rüstungsunternehmen fordern, die Produktion von Waffen als „nachhaltig“einzustufen, um leichter an Geld zu kommen. In der Politik finden sie dafür Unterstützung.

Die europäische Rüstungsindustrie ist auf dem besten Weg, von der EU als genauso „nachhaltig“ wie erneuerbare Energie und andere grüne Investitionen eingestuft zu werden. In Schweden hat Finanzmarkt-Minister Max Elger wenige Wochen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine schon einmal der Spitze des größten heimischen Waffenexporteurs Saab Unterstützung zugesagt: „Ich finde es unangemessen, eine ganze Branche als nicht nachhaltig einzustufen.“

Der Geschäftsführer des deutschen Rüstungslobbyverbands BDSV, Hans Christoph Atzpodien, erklärte in der Zeitschrift „Capital“: „Ich appelliere an die EU, die Rüstungsindustrie als positiven Beitrag zur ‚sozialen Nachhaltigkeit‘ (…) anzuerkennen.“

Das Blatt zitierte aus einem internen Brüsseler Strategiepapier, wonach dieser Appell gehört wird. Es sei sicherzustellen, „dass Initiativen zur nachhaltigen Finanzierung im Einklang mit den Bemühungen der EU stehen, der europäischen Verteidigungsindustrie einen ausreichenden Zugang zu Finanzmitteln und Investitionen zu ermöglichen“, heißt es dort.

Rüstung: Aktienkurse steigen rasant

Vor dem Ukraine-Krieg lief die Debatte über die 2020 eingeführte EU-Taxonomie, ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen zur Erhaltung der Umwelt, ganz und gar anders. Rüstung sollte genauso ausgeschlossen werden wie Tabak, Alkohol und Glücksspiel.

Armin Papperger vom größten deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall beklagte, sein Unternehmen komme deshalb nicht an Kredite. Nebenbei: Dass die EU-Kommission Anfang des Jahres Investitionen in Erdgas und Atomkraft auch in das lukrative Taxonomie-Töpfchen „Nachhaltig“ gepackt hat, stieß in der Ampelkoalition in Berlin auf Kritik.

Dann kam die Nachricht vom Einmarsch in die Ukraine – und im Handumdrehen war alles anders. Dafür sorgten die aus dem Hut gezauberten, gigantischen Aufrüstungspläne überall in Europa. Rheinmetalls Aktienkurs hat sich seit dem 24. Februar verdoppelt.

In Schweden kletterte er bei Saab (nicht identisch mit dem Ex-Autohersteller) um knapp 50 Prozent. Das reicht, um Banken und Vermögensverwalter ihre bisher voll im Trend liegenden Bedenken gegen Rüstungsinvestitionen als „pfui“ schnell über Bord werfen zu lassen. Die führende SEB-Bank schließt Investitionen in Unternehmen mit mehr als fünf Prozent Rüstungsanteil nicht mehr aus. Kajsa Brundin vom Anlageberater Söderberg &Partners erklärte beim TV-Sender SVT, in der neuen Lage stufe man Investitionen in „konventionelle Waffen“ nun als nachhaltig ein. Es gehe „um die Verteidigung unserer friedlichen, demokratischen Gesellschaft“.

Rüstung: Dicke Geschäfte mit den VAE

Svenska Freds, eine kleine, seit 1883 mit vernehmlicher Stimme für „nachhaltigen Frieden auf der Welt“ agierende Organisation, verweist auf Saabs bestes Geschäft der vergangenen Jahre: Der Konzern, als Nummer 30 auf der Weltrangliste der größten Waffenschmieden auch international ein Schwergewicht, bedient als wichtigsten Exportkunden die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). In dem dank Öl steinreichen Scheichtum sind Parteien genauso verboten wie der Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion. Für Homosexualität drohen alle nur erdenklichen Strafen von der Deportation bis zum Todesurteil.

Auch die VAE-Beteiligung am Krieg im Jemen, wo nach sieben Jahren mit Zerstörung, Tod und Massenflucht fast 30 Millionen Menschen von akutem Hunger bedroht sind, hat Saab und Schwedens Regierung nicht von dem lukrativen Geschäft abgehalten. Ob das Luftüberwachungssystem Global Eyes, von Saab-Chef Micael Johansson als „Weltspitze, fast konkurrenzlos“ bejubelt, bei diesem mörderischen Krieg eingesetzt wird? Johansson erklärt treuherzig: „Ich habe keine Ahnung.“

Es sei auch nicht sein Bier. Schwedens sozialdemokratische Regierung habe die Genehmigung für diese Exporte damit begründet, dass sie die Verteidigungskraft im eigenen Land stärken, heißt es im letzten Geschäftsbericht: „In der Lage ist es Saabs Pflicht, einen Beitrag zu leisten.“

Die Aktionär:innen, darunter die Wallenberg-Familie, die auch bei der SEB-Bank das Sagen hat, lehnten bei der jüngsten Hauptversammlung einen Ausschluss von Geschäften mit den im Jemen kriegführenden Ländern ab. SEB- Konkurrent Swedbank hat im März vier Millionen Saab-Aktien gekauft, nachdem man 2021 als viertgrößter Anteilseigner komplett ausgestiegen war. Swedbank-Chef Jens Henriksson in der Zeitung „Dagens Industri“ zum Sinneswandel: „Eine gute Verteidigungsindustrie ist zentraler Bestandteil von Nachhaltigkeit.“

Aktienchart
Aktienkurs von Rheinmetall © FR
Aktienchart
Aktienkurs von Saab © FR

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