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Biofach-Messe: Branche zeigt sich krisenresistent

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Von: Thomas Magenheim-Hörmann

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Ob nachhaltig oder konventionell erzeugt: Die Preise der Lebensmittel nähern sich an.
Ob nachhaltig oder konventionell erzeugt: Die Preise der Lebensmittel nähern sich an. © dpa

Bio-Lebensmittel haben 2022 erstmalig einen Umsatzrückgang verzeichnet. Doch die Branche zeigt sich optimistisch und fordert eine Absenkung der Mehrwertsteuer für ihre Produkte.

Tina Andres spürt den frischen Wind eines nahenden Frühlings. „Die Läden füllen sich, das Verbraucherverhalten wird wieder normal“, sagt die Chefin des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (Bölw) in Nürnberg zum Auftakt der weltgrößten Branchenschau für Bioware Biofach, die noch bis einschließlich Freitag geöffnet hat. Andres spricht von Bioläden. 2022 hat für erfolgsverwöhnte Biohändler in Deutschland jedoch eine Delle gebracht, wie Andres den ersten Umsatzrückgang ihrer Zunft seit Jahren bezeichnet. Um 3,5 Prozent auf 15,3 Milliarden Euro ist das Geschäft mit Biolebensmitteln bundesweit geschrumpft, hat die Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AIM) ermittelt. Dabei habe sich Bio aber als vergleichsweise krisenresistent erwiesen, betont AIM-Marktanalystin Diana Schaack.

„Bio und konventionelle Lebensmittel haben sich 2022 im Preis stark angenähert“, sagt Schaack. Während Biomilch im Vorjahr um durchschnittlich knapp 15 Prozent teurer geworden ist, waren es bei konventioneller Milch satte 26 Prozent. Konventionell erzeugte Eier haben sich mit 18 Prozent dreimal so stark verteuert wie ihre Biovariante. Bio-Frischeprodukte mit 6,6 Prozent nur halb so kräftig wie ihr konventionelles Pendant.

Stabilere Preise und Lieferketten

Den Grund dafür sieht Andres zum einen darin, dass die Biobranche ohne teure Pestizide und vor allem ohne Kunstdünger auskommt, der sich in der jüngsten Energiekrise massiv verteuert hat. „Bioprodukte sind preisstabiler“, stellt sie klar. Zudem verfüge ihre Branche per regionaler Kreislaufwirtschaft über stabile Lieferketten. „Unsere Regale waren zu jeder Zeit gefüllt, der Biomarkt ist resilienter“, betont die Verbandschefin und sieht darin einen Fingerzeit für die Politik. Die müsse endlich eine „eklatanten Wettbewerbsverzerrung“ zum Nachteil der Biobranche beenden.

Die entstehe durch Umweltfolgekosten konventioneller Bauern von jährlich 90 Milliarden Euro, die in Deutschland weiterhin stillschweigend vergesellschaftet würden. Die Kosten hat die Boston Consulting Group in einer Studie berechnet. Dagegen seien umweltschonende Biolebensmittel im Regal zu Normalzeiten systembedingt teuerer als konventionell erzeugte Ware, bedauert Andres und denkt an ihre eigene landwirtschaftlichen Erzeugergemeinschaft.

Dort sei der Energieverbrauch so niedrig, dass dieser Betrieb auf einem Niveau wirtschafte, das gerade mal 1,3 Grad Erderwärmung nach sich ziehe. Das sei per Zertifikat auch belegbar. Ihre Biobauern wirtschaften also 0,2 Grad Celsius unter dem maximalen Klimaziel von 1,5 Grad. Zugleich könnten konventionell arbeitende Landwirte ihre klimagefährdende Ware billiger anbieten.

Forderungen für gleiche Wettbewerbsbedingungen

Um für gleiche Wettbewerbsbedingungen zu sorgen, fordert der Bölw unter anderem eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Biolebensmittel. Ernährungssouveränität, die Biolandwirtschaft biete, sei ein wichtiges Gut, wie jüngste Krisen zeigten. Ohne politisches Engagement sei zudem das Ziel von 30 Prozent Bioanbaufläche in Deutschland bis 2030 gefährdet, warnt Marktanalystin Schaack. Zwar sei die 2022 von 10,8 auf 11,3 Prozent gestiegen. „Aber die Umstellungsdynamik flacht ab“, stellt die Expertin klar. Um das 30-Prozent-Ziel zu erreichen, bräuchte es in den nächsten Jahren jeweils ein Vielfaches der Umstellungsrate von 2022.

Das laufende Jahr werde wohl noch einmal ein erneut schwieriges für die Biobranche, schätzt Schaack. Um die Delle für ihre Branche möglichst rasch wieder auszubügeln, fordert Verbandschefin Andres die Politik deshalb auf, in Kantinen von Polizei, der Bundeswehr oder Krankenhäusern für eine Bioquote von 50 Prozent zu sorgen. Derzeit liegt das Bioangebot in Mensen, Kantinen und Restaurants bei mageren zwei Prozent. Es brauche auch mehr Forschungsgelder für Biolandwirtschaft, fordert die Branchenlobby.

Verbraucher und Verbraucherinnen bleiben Bio weiterhin treu

In Deutschland werden mittlerweile 36 548 Bauernhöfe und damit jeder siebte Betrieb ökologisch bewirtschaftet. Das ergibt eine gesamte Bioanbaufläche von knapp 1,9 Millionen Hektar und ein Plus von 3,7 Prozent zum Vorjahr. 2021 betrug die Wachstumsrate noch knapp sechs Prozent. Verbraucher:innen sind Bio 2022 aber weitgehend treu geblieben. Den moderaten Umsatzrückgang erklärt die Branche damit, das beispielsweise vermehrt günstigere Bio-Einstiegsprodukte gekauft wurden. Im Vergleich zu 2019 liegt der Umsatz mit Biolebensmitteln immer noch um ein Viertel höher.

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