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Das Betongold bröckelt

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Von: Antje Mathez

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Die Immobilienpreise fallen, doch das ist laut Fachleuten wohl nur eine Momentaufnahme.

Frankfurt – Immobilien gelten in Deutschland als ausgezeichnete Geldanlage und unverzichtbarer Teil der Altersvorsorge. Solange die Zinsen niedrig waren, boomte der Markt. Wer konnte, der kaufte. Und wer eigentlich nicht konnte, kaufte trotzdem. Der Nachfrage folgend stiegen die Immobilienpreise in schwindelerregende Höhen. Doch die Zeiten sind nun vorbei.

Das Betongold bröckelt. Die Nachfrage sinkt, weil Inflation, gestiegene Zinsen und Baukosten den Traum vom Eigenheim für viele unfinanzierbar machen. So seien die Preise für Wohnimmobilien „in der zweiten Jahreshälfte erstmalig seit langem recht deutlich gesunken“, schreibt die Deutsche Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht.

Sie bezieht sich dabei auf Angaben des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (VDP) und den Häuserpreisindex des Statistischen Bundesamtes. Danach stiegen die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland im vergangenen Jahr zwar um acht bis neun Prozent, fielen im vierten Quartal jedoch unter ihren Wert vom Jahresende 2021. Die Indikatoren „weisen damit darauf hin, dass der jahrelange Aufschwung am Wohnimmobilienmarkt vorüber ist“, schreiben die Bundesbank-Fachleute. Doch ist das eine nachhaltige Entwicklung?

Die Bauauträge sind im vergangenen Jahr eingebrochen.
Die Bauanträge sind im vergangenen Jahr eingebrochen. © Imago

Kurt Friedl, Deutschlandchef und Gesellschafter von Remax, des hierzulande größten Maklernetzwerks, schätzt die Lage völlig anders ein – in zweifacher Hinsicht. Friedl, der seit 40 Jahren in der Immobilienbranche tätig ist, beobachtet im Tagesgeschäft sogar einen deutlich stärkeren Preisrückgang in Höhe von 25 bis 30 Prozent, geht aber davon aus, dass die Preise bald wieder anziehen werden. „Der Markt befindet sich lediglich in einer Korrekturphase. Mittelfristig werden die Preise wieder steigen“, so der Mann vom Fach.

Mehrheit möchte Immobilie kaufen

Aktuell zeigten sich Verkäufer vermehrt verhandlungsbereit und Käufer könnten Preisnachlässe durchsetzen, weil es weniger Bewerber je Immobilie gäbe. Das treffe vor allem auf sanierungsbedürftige Wohnungen und Häuser mit einer schlechten Energieeffizienz zu. Allerdings werde das nicht so bleiben. Der Grund: „Wir haben zu wenig Wohnraum und laufen zusätzlich in eine enorme Verknappung hinein.“ Die Zahl der Neubauten nehme aufgrund steigender Kosten für Kapital, Material und wegen des Fachkräftemangels immer weiter ab. „Wir brauchen 400 000 Wohnungen pro Jahr, schaffen werden wir nicht mal 200 000“, sagt Friedl.

Wie zur Bestätigung gab am Freitag das Statistische Bundesamt einen massiven Einbruch der Bauaufträge im vergangenen Jahr bekannt. Danach musste die Branche ein reales Minus von fast zehn Prozent verkraften. „Wie befürchtet sehen wir die Auftragserteilung im Wohnungsbau weiter im freien Fall“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, Felix Pakleppa. Das Tempo des Rückgangs habe sich im Dezember noch beschleunigt.

Hinzu kommt der Zuzug einer hohen Zahl geflüchteter Menschen. „Dadurch steigt der Druck auf den Markt“, warnt Friedl. Und zwar nicht nur in Bezug auf die Kaufpreise, sondern auch auf die Mieten. Um daran etwas zu ändern, müsse der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen schaffen, dass preiswerter gebaut werden könne. Bislang sehe er aber keine adäquaten Reaktionen bei den politisch Verantwortlichen.

Schlechte Nachrichten für alle, die sich ein Eigenheim wünschen. Und das sind eine Menge Menschen, wie der aktuelle Europa-Wohnimmobilien-Trend-report von Remax zeigt, für den rund 16 000 Personen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren in 22 europäischen Ländern befragt wurden. Danach will mehr als jeder und jede zweite Teilnehmer:in der Umfrage aus Deutschland (56 Prozent) in den nächsten fünf Jahren eine Wohnimmobilie erwerben. Europaweit sind es sogar 65,2 Prozent der Befragten. Zins- und Kaufpreisveränderungen würden dabei nichts an den Kaufwünschen ändern, sagt Friedl. An der Realisierbarkeit aber schon. (Antje Mathez)

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