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Berlin und Sachsen mit schnellstem Wachstum

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Von: Markus Sievers

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"Der Aufschwung geht weiter, und er gewinnt sogar etwas an Breite", so Wirtschaftsforscher Horn.
"Der Aufschwung geht weiter, und er gewinnt sogar etwas an Breite", so Wirtschaftsforscher Horn. © dpa

Andere Ostländer tun sich aber schwer. NRW überrascht positiv, das Saarland fällt zurück. Die Kluft zwischen den Bundesländern ist groß.

Berlin führt gemeinsam mit Sachsen die innerdeutsche Wachstumstabelle an. Beide Länder steigerten im vergangenen Jahr ihr Bruttoinlandsprodukt um 2,7 Prozent. Sie übertrafen damit nicht nur den Bundesdurchschnitt von 1,9 Prozent, sondern ließen auch die strukturstarken Regionen Bayern und Baden-Württemberg hinter sich.

Überraschend gut schlug sich nach den Zahlen der Statistischen Landesämter auch Nordrhein-Westfalen, dessen Wirtschaft die gesamte Leistung um 1,8 Prozent erhöhte. Das bevölkerungsreichste Bundesland erzielte damit ein deutlich besseres Ergebnis als das Saarland, wo ebenfalls viele alte Industrien mit schrumpfenden Umsätzen beheimatet sind. Dort aber stagnierte die Wirtschaft im vergangenen Jahr.

Dank der Dynamik Berlins machte der Osten mit 2,1 Prozent gegenüber dem Westen etwas Boden gut. Ohne die Hauptstadt liegt er exakt im Bundestrend, kann also den enormen Rückstand an wirtschaftlicher Leistungskraft und materiellem Wohlstand nicht mindern. Weiter zurück fielen vor allem Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, während Thüringen dank seiner industriellen Basis und Brandenburg dank der Strahlkraft Berlins fast an den Bundesschnitt heranreichten.

„Berlin ist zu einer echten Wachstumslokomotive in Deutschland geworden“, sagte Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg. Allerdings gebe es immer noch viel aufzuholen. Berlin müsse mehr tun, um sich als wachsende und wirtschaftskräftige Metropole zu etablieren. „Vor allem bei der Verkehrsinfrastruktur und bei der Bildung ist der Bedarf groß“, so Amsinck. Stärkster Antreiber war 2016 der Bau, der um fast sieben Prozent zulegte. Auch der Dienstleistungssektor sticht positiv hervor, vor allem der Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation. Dagegen lieferte die klassische Industrie – seit der innerdeutschen Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg traditionell schwach in Berlin – mit 0,6 Prozent nur einen kleinen Wachstumsbeitrag.

In diesem Segment schnitt Brandenburg sogar etwas besser ab, konnte aber bei den Dienstleistungen nicht mit dem Tempo in der Hauptstadt mithalten. Dies erging auch Sachsen-Anhalt so, das typisch ist für die Schwierigkeiten des Ostens. Anders als in Brandenburg gibt es hier kein einkommensstarkes Umland, das von der Wirtschaftskraft einer Metropole wie Berlin profitiert. Umso stärker schlägt der Mangel an großen Industriefirmen durch.

Die enorme Ungleichverteilung der großen Industriestandorte ist eine wesentliche Erklärung dafür, dass sich die wirtschaftlichen Abstände innerhalb der Bundesrepublik über einen längeren Zeitraum gesehen stark verschärft haben. Vor allem Bayern und Baden-Württemberg, aber auch Teile Hessens und Nordrhein-Westfalens konnten mit ihren zahlreichen weltweit erfolgreichen Industriekonzernen ihre Stellung noch ausbauen.

Die aktuellen Wachstumszahlen dürfen daher auch nicht über die enormen Niveauunterschiede hinwegtäuschen. Pro Einwohner erreichten die vier ostdeutschen Flächenländer 2015 etwas mehr als zwei Drittel der Wirtschaftskraft im Westen. Rechnet man Berlin dazu, schrumpft das Wohlstandsgefälle von einem Drittel auf ein Viertel.

Für das vergangene Jahr liegen noch keine Pro-Kopf-Daten vor. Wenn sie erscheinen, könnte der Jubel in Berlin etwas nachlassen. Denn das rasante Wachstum resultiert auch aus dem starken Zuzug und der steigenden Bevölkerungszahl, so dass sich die größere Wirtschaftsleistung auf mehr Menschen verteilt. Viele der neu geschaffenen Stellen etwa in der Digitalbranche gehen zudem an den alteingesessenen Langzeitarbeitslosen vorbei, da sie nicht die geforderten Qualifikationen dafür mitbringen.

Bayern und Baden-Württemberg liegen diesmal nicht ganz an der Wachstumsspitze, weil die Industrie aktuell nicht wie gewohnt die deutsche Konjunktur antreibt.

Insgesamt wird die Wirtschaft nach der neuen Prognose des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in diesem Jahr um 1,3 Prozent und im nächsten Jahr um 1,8 Prozent wachsen. Die aktuelle Abschwächung erklärt sich überwiegend durch die geringere Zahl an Arbeitstagen, da 2017 weniger Feiertage auf ein Wochenende fallen.

„Der Aufschwung geht weiter, und er gewinnt sogar etwas an Breite“, sagte IMK-Chef Gustav Horn. Die etwas stärkeren Lohnsteigerungen trügen die Inlandsnachfrage. Auf mittlere Sicht rechnet der Ökonom auch mit einem deutlicheren Anstieg der Investitionen in Deutschland. Der außenwirtschaftliche Überschuss Deutschlands werde leicht sinken, aber sehr hoch bleiben.

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