Wechsel in die Gesetzliche Krankenversicherung: Vor dem 55. Geburtstag handeln

Versicherte, die statt privat lieber gesetzlich versichert sein wollen, sind bei der GKV nicht gern gesehen. Ein Wechsel ist in vielen Fällen trotzdem möglich, es gibt aber einiges zu beachten.
Private Krankenversicherer locken mit niedrigen Tarifen und besseren Leistungen, doch die Beiträge steigen mit den Jahren. Die Angst vor zu hohen Kosten in Krisenzeiten oder in der Rente, brennt vielen privat Versicherten unter den Nägeln. „Wir erhalten bei Stiftung Warentest viele E-Mails von Verbrauchern zum Thema“, sagt Ulrike Steckkönig, Krankenversicherungs-Expertin bei Stiftung Warentest. Jürgen Bastian, zuständig für Grundsatzfragen im Bereich Privatkunden bei der AOK Hessen, berichtet, dass die AOK regelmäßig Anfragen von Privatkunden und -kundinnen, aber auch von Arbeitgebern erhalte, wie ein Wechsel in die Gesetzliche Krankenkasse (GKV) für die Beschäftigten rechtssicher gestaltet werden kann.
Dieser ist aber vom Prinzip her bei den Gesetzlichen Kassen nicht erwünscht. „Der Zugang zur GKV für die zuletzt privat versicherten Personen ist als Ausnahmeregelung konzipiert“, erklärt Claudia Widmaier vom Spitzenverband der GKV. Bastian ergänzt: „Wer sich jahrzehntelang aus der Solidargemeinschaft herausgenommen hat, war günstiger versichert und soll im Alter, wenn es in den Gesetzlichen billiger ist, nicht profitieren.“ Nur in wenigen Fällen soll die Rückkehr zur GKV ermöglicht werden. Fachleute erklären einige Szenarien, wie sie gelingen kann.
Altersgrenze 55: „Die wichtigste Information ist: Ein Wechsel sollte vor dem 55. Geburtstag stattfinden“, sagt Steckkönig, „wer Zweifel hat, ob die Beiträge jetzt oder in Zukunft die eigenen finanziellen Möglichkeiten übersteigen, sollte nicht trödeln und sich über seine Optionen informieren.“
Wechsel in die GKV als Angestellter: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte haben es leichter zu wechseln. „Arbeitnehmer dürfen lediglich eine bestimmte Verdienstgrenze nicht überschreiten, um einen Anspruch auf gesetzliche Versicherung zu haben“, sagt Steckkönig. Die Grenze liegt derzeit bei einem Jahreseinkommen von 66 600 Euro brutto (5550 Euro im Monat). Wer sich vor dem 1. Januar 2003 privat versichert hat, braucht ein geringeres Gehalt, um versicherungspflichtig zu werden: 59 850 Euro brutto pro Jahr (4987,50 Euro im Monat). „Zum Entgelt zählen auch regelmäßige Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld“, so Steckkönig. Die zwei verschiedenen Einkommensgrenzen sind aufgrund von Reformen im Lauf der vergangenen Jahrzehnte entstanden.
„Über eine Arbeitszeit- und Gehaltsreduzierung kann ich ganz normal Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung erhalten“, erklärt die Verbraucherschützerin. Arbeitgeber hätten meist Verständnis für den Wunsch ihrer Mitarbeiter, in die GKV zurückzukehren. Die Phase in Teilzeit muss mehr als drei Monate dauern. Danach kann man vereinbaren, wieder in Vollzeit zu arbeiten. Anschließend kann man freiwillig in der GKV bleiben. Eine Alternative kann ein sogenanntes Sabbatical sein, eine längere Freistellung von der Arbeit aus privaten Gründen. Manche Firmen erlauben es, dass Beschäftigte für eine spätere Auszeit „vorarbeiten“ und diese Stunden später „abfeiern“. Ein Teil des erarbeiteten Gelds wird während des Sabbaticals ausgezahlt und liegt dann häufig unter der Verdienstgrenze. Auf ein Sabbatical besteht aber kein Anspruch.
Hat sich ein Beschäftigter oder eine Beschäftigte in der Vergangenheit auf eigenen Wunsch von der Versicherungspflicht in der GKV befreien lassen, hat er nicht die Möglichkeit, durch ein verringertes Gehalt wieder versicherungspflichtig zu werden. „Die Befreiung werden diese Arbeitnehmer erst los, wenn sie arbeitslos werden und Arbeitslosengeld beziehen“, so Steckkönig.
Wechsel in die GKV als Selbstständige:r: Als Selbstständige:r hat man keinen Anspruch auf Versicherung in der GKV. Das bedeutet, dass die Selbstständigkeit aufgegeben werden muss, um aus der privaten Krankenversicherung rauszukommen. „Und das sollte nicht nur zum Schein passieren“, sagt Steckkönig. Sie warnt vor fingierten Anstellungen. „Die Krankenkassen prüfen jeden Einzelfall“, sagt sie. Wenn ein Betrug herauskomme, können die Gesetzlichen Krankenversicherungen die Mitgliedschaft noch zehn Jahre rückwirkend aberkennen. „Dann hat man ein richtiges Problem.“
Korrekt ist es, die Selbstständigkeit aufzugeben oder zum Nebenjob zu reduzieren und dann eine sozialversicherungspflichtige Stelle zu finden. „Wenn man mehr als zwanzig Stunden als Angestellter arbeitet und mehr als rund 1700 Euro brutto verdient, gehen die Krankenkassen davon aus, dass das der Hauptberuf ist. Es muss aber hinzukommen, dass der selbstständige Anteil darunter liegt“, so Steckkönig. „Beispielsweise muss bei gleichen Arbeitszeiten der Verdienst aus der angestellten Tätigkeit den aus der selbstständigen Arbeit deutlich übersteigen“, sagt AOK-Experte Bastian.
Der Wechsel ins Angestelltenverhältnis ist schwierig für Selbstständige, die Mitarbeiter haben. „Wenn man Mitarbeiter hat, die keine Mini-Jobber sind, gehen die Krankenkassen davon aus, dass man die selbstständige Beschäftigung hauptberuflich ausübt“, sagt Steckkönig.
Internetservices zum Wechsel: Zahlreiche Servicedienstleister bieten im Internet an, den Wechsel in die GKV für die Versicherten zu organisieren. Steckkönig rät dringend davon ab, solche Services in Anspruch zu nehmen. „Im besten Fall handeln diese Firmen nur mit den Adressen der Menschen, die sich bei ihnen melden“, sagt sie. Statt diesen Firmen Geld zu zahlen, empfiehlt sie, einen Anwalt für Sozialrecht zu Rate zu ziehen, wenn man unsicher ist. „Das Geld ist besser angelegt.“
Nach dem 55. Geburtstag: Die Möglichkeiten, nach dem 55. Geburtstag in die GKV zu kommen, sind äußerst beschränkt. „Auf dem üblichen Weg ist es dann nicht mehr möglich“, sagt Steckkönig. Ein Weg kann übers Ausland führen. In Ländern wie der Schweiz, Frankreich, Österreich oder Dänemark gibt es eine gesetzlich vorgeschriebene Krankenversicherung. Diese ist europarechtlich der deutschen GKV gleichgestellt. „Um hier reinzukommen, ist aber ein tatsächlicher Umzug ins Ausland notwendig“, so die Verbraucherschützerin. Ob jemand in die gesetzlich vorgeschriebene Krankenversicherung im Ausland aufgenommen wird, ist jedoch nicht sicher. Zurück in Deutschland können die Versicherten die Rückkehr in die GKV beantragen.
Steckkönig und AOK-Experte Bastian raten Versicherten, ab dem Alter von 55 Jahren mit dem Privaten Krankenversicherer über einen Tarifwechsel oder eine Beitragsreduzierung zu verhandeln. Erhält jemand Bürgergeld oder als Rentner Grundsicherung, bedeutet das übrigens nicht, dass er automatisch wieder in die GKV wechseln kann. „Es kommt dann häufig zur Reduzierung der Prämie“, sagt Bastian. Die Leistungen werden in solchen Fällen ebenfalls zurückgeschraubt.