Ausbeutung als Konzept
Der Einkauf im Internet hat im Paketgeschäft für einen enormen Aufschwung gesorgt. Die rund 200.000 Beschäftigten der Branche erreicht dieser Erfolg jedoch kaum.
Genau 57 Pakete registrieren, sortieren und transportieren die Paketdienste in Deutschland. Pro Sekunde, wohlgemerkt. 1,8 Milliarden Stück pro Jahr insgesamt. So weisen es zumindest die aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2010 aus. 7,1 Milliarden Euro Umsatz machte sie. Inzwischen dürften die Zahlen weiter gestiegen sein. „Im vergangenen Jahr lag das Wachstum der Stückzahlen bei sechs bis acht Prozent“, schätzt Paketmarkt-Experte Horst Manner-Romberg. Für die Dienstleister bedeutet das, noch mehr sortieren, austragen, noch schneller sein.
Seit die Menschen Schuhe, Lebensmittel, Sportwaren, Anglerbedarf und Computer auch im Internet bestellen, hat das Paketgeschäft eine Erfolgsstory erlebt. Die Branche wächst seit mehr als 15 Jahren schneller als die deutsche Wirtschaft. Ungefähr 200.000 Menschen sind als Angestellte oder selbstständige Unternehmer im Kurier-, Express- und Paketgeschäft tätig. Doch ein guter Teil bekommt von dem Erfolg kaum etwas ab.
Der Grund dafür liegt in dem harten Wettbewerb, den sich die großen Akteure Fedex, Deutsche Post DHL, GLS, UPS, dpd, Hermes und viele kleine Mitbewerber liefern. „Die Wettbewerber drücken auf die Preise“, sagt Manner-Romberg, Geschäftsführer der Hamburger Logistikberatung M-R-U. „Man versucht gnadenlos Marktanteile zu gewinnen und das funktioniert immer noch vor allem über die Preise.“ Als einziger Anbieter hat 2011 DHL die Preise erhöht.
„Mit satten Preisnachlässen gehen derzeit GLS und Hermes durch den Markt.“ Hermes hat das Ziel ausgegeben, bis in drei Jahren im Paketgeschäft die Deutsche Post zu überholen. Auch Versandhändler mit großen Paketvolumen machen aggressiv Druck, dass immer billiger geliefert werden muss. Während DHL und UPS als gute Arbeitgeber gelten, geht der Wettbewerb bei anderen zulasten der Paketboten. Sie arbeiten für beauftragte Subunternehmen und leiden unter langen Arbeitszeiten und teilweise extrem niedrigen Stundenlöhnen. Insbesondere Hermes, GLS und dpd arbeiten mit solchen Firmen zusammen. Hermes hat angekündigt, seine Unternehmenspolitik grundlegend zu überarbeiten.
„Wir haben es mit der Prekarisierung einer Branche zu tun“, sagt Verdi-Experte Wolfgang Abel. Ein Großteil arbeite zu Sklavenbedingungen. Die Öffentlichkeit ist auf die Missstände aufmerksam geworden. „Paketboten bekommen heute wesentlich häufiger Trinkgeld“, berichtet ein Brancheninsider.