Aufregung um Ablehnungen

Krankenkassen werben oft in glänzenden Broschüren für ihre Leistungen. Viele Versicherte machen eine andere Erfahrung: Hunderttausende bekommen negative Bescheide. Krankenschreibungen etwa werden oft nicht anerkannt.
Die Versorgung von 70 Millionen Versicherten im Blick“, lautet das Credo, mit dem der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen auf seiner Homepage um Vertrauen wirbt. Ganz offensichtlich haben die Krankenkassen aber auch ihre Ausgaben im Blick. Insbesondere beim Krankengeld, das die Kassen den Beschäftigten bei länger als sechs Wochen andauernder Arbeitsunfähigkeit zahlen müssen, schauen AOK, Barmer und Co. offenbar sehr genau hin, ob die medizinische Notwendigkeit vorliegt.
1,46 Millionen Krankschreibungen hat der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben überprüft. In mehr als 230.000 Fällen kamen die MDK-Mediziner zu dem Ergebnis, dass die Arbeitnehmer eigentlich wieder arbeitsfähig sind und also die Krankengeldzahlungen einzustellen seien. Gleichwohl stiegen die Ausgaben hierfür im vergangenen Jahr auf 9,2 Milliarden Euro, im Vorjahr reichten noch 8,5 Milliarden Euro aus.
Patienten beschweren sich
Wie problematisch die Prüfpraxis des MDK aus Sicht vieler Patienten ist, belegen Daten der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD). Zwischen April 2012 und März 2013 wurden die 21 regionalen UPD-Beratungsstellen in 4761 Fällen wegen Problemen mit der Krankengeldbewilligung kontaktiert. Mal beschwerten sich Patienten über zudringliche Anrufe seitens der MDK-Mitarbeiter, die sich nach dem Genesungsfortschritt und der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit erkundigten, mal klagten Versicherte über Zahlungseinstellungen ihrer Krankenkasse. Viele der Angerufenen fühlten sich unter Druck gesetzt und bangten um ihre wirtschaftliche Existenz, wenn das Krankengeld gestrichen werde, so die UPD in ihrem Jahresbericht, der bereits im Juli vorgestellt worden war.
Kritikwürdig an der Prüfpraxis ist nach Ansicht der Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, allerdings noch etwas anderes: Viele Entscheidungen zur Arbeitsunfähigkeit würden allein nach Aktenlage, also ohne Inaugenscheinnahme der Patienten getroffen. Gerade bei Menschen mit psychischen Erkrankungen sei die „fatal“, so Mascher. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) kritisierte: „Massenhafte Ablehnungen“ der Krankengeldzahlung dürfe es nicht geben, zumal die Finanzlage der Kassen gut sei. Neben psychischen Erkrankungen und Krankengeld-Fällen schaut der Medizinische Dienst auch sonst genau hin: 700.000 mal widmete er sich 2012 der Frage, ob Reha-Leistungen tatsächlich notwendig seien. In 39 Prozent der Fälle wurde diese Frage verneint. Mit 37 Prozent war die Quote abgelehnter Hörgeräte fast ebenso hoch.
Nicht repräsentativ
Der Sprecher des Spitzenverbandes der Krankenkassen äußert durchaus Verständnis für die Kritik am kasseneigenen Prüfungswesen. „Wenn Versicherte unter Druck gesetzt werden, dann ist das ein Fehler und darf nicht vorkommen“, sagte Lanz. Die Angaben der Unabhängigen Patientenberatung seien zwar nicht repräsentativ, lieferten aber wertvolle Hinweise auf nötige Verbesserungen. Jedoch sei es auch die Pflicht der Kassen, Rechtmäßigkeit und Angemessenheit von Leistungsansprüchen zu kontrollieren.
Der Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes, Peter Pick, betonte, die Prüfungen zeigten „in den letzten Jahren eher eine rückläufige Tendenz“. So habe es im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr fast 100.000 Kontrollen weniger gegeben. Bei der MDK-Begutachtung von Arbeitsunfähigkeit seien Auffälligkeiten nicht feststellbar, so Pick weiter. Die Quote der abgelehnten Zahlungen liege seit Jahren konstant bei 16 Prozent. Pick: „Es ist daher nicht zu rechtfertigen, von einer Vielzahl von Ablehnungen zu sprechen.“ Für „überzogene Interpretationen“ der Daten bestehe kein Anlass.