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Auch grüner Kapitalismus kann ungerecht sein

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Von: Steven Geyer

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Recycling in Rio: Umflattert von Krähen suchen diese Männer nach Recycling-fähigen Materialien.
Recycling in Rio: Umflattert von Krähen suchen diese Männer nach Recycling-fähigen Materialien. © REUTERS

In einem Appell vor dem Rio-Gipfel kritisieren führende Sozialdemokraten, Hilfsorganisationen und prominente Wissenschaftler die Neuausrichtung der UN-Konferenz: Entwicklungspolitik dürfe nicht auf Umweltschutz verkürzt werden – und die UN brauche einen Umbau.

In einem Appell vor dem Rio-Gipfel kritisieren führende Sozialdemokraten, Hilfsorganisationen und prominente Wissenschaftler die Neuausrichtung der UN-Konferenz: Entwicklungspolitik dürfe nicht auf Umweltschutz verkürzt werden – und die UN brauche einen Umbau.

Grünes Wirtschaften führt nicht automatisch zu einer besseren Welt. Vielmehr können Klima- und Umweltschutz auch zur Bedrohung für Entwicklungsländer werden. Mit dieser Botschaft kritisieren prominente Wissenschaftler, Hilfsorganisationen und Spitzenpolitiker der SPD die Neuausrichtung des UN-Gipfels, der in gut zwei Wochen in Rio beginnt. In einem Aufruf, der dieser Zeitung vorab vorlag, fordern  sie, das bisher verfolgte Ziel der nachhaltigen Entwicklung nicht allein auf Umweltschutz zu verkürzen und „die soziale Dimension“ zu stärken.

Beim „Rio+20“-Gipfel geht es um Green Economy, den ökologischen Umbau der Wirtschaft. „Entwicklungs- und Schwellenländer befürchten, dass ihnen ein Modell übergestülpt werden soll, das den Interessen der reichen Länder dient“, heißt es im Appell.

Tatsächlich fordern auch deutsche Umweltpolitiker und -verbände eine Klimapolitik auch in Form von Öko-Labels oder Zöllen für Waren, die nicht nach neuesten Öko-Standards produziert werden. Dieser „grüne Protektionismus“, so die Autoren, begünstige wegen deren Technologievorsprung die Industrieländer. Zudem fürchte der Süden, der Norden binde Hilfen künftig an Öko-Auflagen.

Zu den Verfassern des Aufrufs zählen SPD-Spitzenpolitiker wie Parteichef Sigmar Gabriel, Generalsekretärin Andrea Nahles und die frühere Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sowie Fachleute von Organisationen  wie Misereor, Brot für die Welt, Oxfam, BUND, Germanwatch und Hermann-Scheer-Stiftung. Zudem haben ihn Umwelt- und Entwicklungsexperten wie der Ex-Präsident des Wuppertal-Instituts, Ernst Ulrich von Weizsäcker, und der einstige Chef des Nachhaltigkeitsrats, Volker Hauff sowie Wirtschafts- und Politikprofessoren wie Michael von Hauff, Johannes Wallacher, Hartmut Ihne und Udo E. Simonis mitverfasst.

Sie fordern nicht nur grüneren Kapitalismus, sondern einen neuen Wachstumsbegriff  und einen Wohlstand, der nicht am Ressourcenverbrauch gemessen wird. Zudem müssten Staaten gezielt mit Ausgaben- und Subventionspolitik sowie Öko-Steuern in die Wirtschaft eingreifen und „nichtnachhaltigen“ Klimaschutz wie Atomkraft ausschließen. Auch müsse man die UN-Strukturen für Nachhaltigkeit umbauen und die Zivilgesellschaft stärker einbinden. Die Autoren fordern eine eigene UN-Organisation für Umwelt.

SPD-Chef Gabriel nannte den Aufruf  einen „Appell an den UN-Gipfel, das Thema Nachhaltigkeit in all seinen Facetten stärker als bisher voranzutreiben“: „Es wäre ein starkes Signal gewesen, wenn Angela Merkel als Regierungschefin der größten Volkswirtschaft Europas an dem Gipfel teilgenommen hätte“, sagte Gabriel dieser Zeitung. „Ihre Absage ist eine große Enttäuschung für alle, die in dieser wichtigen Frage zu Recht eine Führungsrolle Deutschlands erwartet haben.“

Wenn sich die Rio+20-Konferenz nun mit „Green Economy“ beschäftige, müsse klar sein, so Gabriel, dass „eine ökologische Modernisierung der Wirtschaft gleichbleibenden neoliberalen Strukturen nicht nachhaltig sein kann“. 

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