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Atomkraft: FDP will längere AKW-Laufzeiten prüfen – Umweltverbände warnen

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Von: Joachim Wille

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Das Kernkraftwerk Tihange bei Huy in der Wallonischen Region von Belgien nahe der deutschen Grenze besteht aus drei Blöcken mit Druckwasserreaktoren, die von 1975 bis 1985 ans Stromnetz gingen.
Ist Atomenergie ein Energieträger der Zukunft? © Christoph Hardt/Imago

Die FDP schließt eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken nicht mehr aus. Dabei warnen Umweltverbände vor einer Abhängigkeit von russischen Uranimporten.

Frankfurt - Politiker:innen aus der Union, allen voran Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), fordern wegen der energiepolitischen Folgen des Ukraine-Konflikts eine Laufzeitverlängerung für die drei in Deutschland noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke. Jetzt hat auch die Ampel-Partei FDP auf ihrem Parteitag am Wochenende „eine Modifizierung unserer Ausstiegspläne bei Kohle- und Kernenergie“ nicht mehr ausgeschlossen. Umweltverbände indes warnen vor einem solchen Schritt. Deutschland und Europa seien nicht nur bei fossilen Energien von Importen abhängig, sondern auch bei Uran.

Atomkraft: Uranimporte in die EU stammen zu 40 Prozent aus Russland

Die Liberalen argumentieren in ihrem Beschluss, im Falle einer Energieknappheit, etwa durch einen Import- oder Exportstopp von Erdgas aus Russland, könne es notwendig werden, die Laufzeiten der verbliebenen Kernkraftwerke zu verlängern. „Wir setzen uns deshalb für eine Prüfung dieser Maßnahme ein, um Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Verfügbarkeit sicherzustellen.“ Dabei müsse allerdings die Sicherheit des Weiterbetriebs oberste Priorität haben.

Der Beschluss fiel kurz vor dem 36. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, die am 26. April 1986 begann. Anlässlich dieses Datums erinnern Umweltschützer:innen an die „große Abhängigkeit von der weltweit vernetzten Uran-Industrie“, in der der russische Staatskonzern Rosatom eine Spitzenposition innehabe. Laut dem von BUND, Greenpeace, der Organisation „ausgestrahlt“ sowie der „Nuclear Free Future Foundation“ (NFFF) und der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgegebenen neuen „Uranatlas“ stammen etwa 40 Prozent der europäischen Uranimporte aus Russland und seinem Verbündeten Kasachstan. Auch die noch bis Ende 2022 laufenden deutschen AKW würden zum großen Teil damit betrieben.

Große Abhängigkeit von Russland bei angereichertem Uran

Über seine Beteiligungen an Uranminen in Kanada, den USA und vor allem in Kasachstan ist Rosatom demnach der zweitgrößte Uranproduzent der Welt. Mit gut 7000 Tonnen habe das Unternehmen einen Anteil von rund 15 Prozent an der globalen Förderung, erläuterte BUND-Nuklearexpertin Angela Wolff jetzt bei der Vorstellung der Publikation. „Bei der Herstellung von angereichertem Uran, das für den Betrieb von Atomkraftwerken benötigt wird, ist die Abhängigkeit noch größer. Über ein Drittel des weltweiten Bedarfs kommt vom russischen Staatskonzern“, sagte sie.

Besonders stark ist laut dem Atlas die Abhängigkeit von russischen Brennelementen in Osteuropa. Insgesamt 18 Meiler in Bulgarien, Ungarn, der Slowakei, Tschechien sowie Finnland können danach nur mit sechseckigen russischen Brennelementen betrieben werden. Um die beiden AKW in der Slowakei mit Brennstoff zu versorgen, durfte dort am 1. März, also nach Kriegsbeginn in der Ukraine, sogar eine russische Il-76-Transportmaschine mit Sondergenehmigung landen. Und in der vorigen Woche landete eine Maschine der Airline Volga-Dnepr in Ungarn mit Brennstäben für das dortige AKW Paks.

Umweltverbände: „Atomenergie ist nicht der Energieträger der Zukunft“

Rosatom setzt unterdessen auf Expansion, so der Uranatlas. In Russland selbst sollen danach drei AKW gebaut werden. Zudem gebe es Pläne für weitere 35 Anlagen in Ägypten, Bangladesch, Belarus, Bulgarien, China, Finnland, Indien, Iran, der Türkei, Ungarn und in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Der NFFF-Vorstand Horst Hamm kommentierte: „Atomenergie ist nicht der Energieträger der Zukunft.“ Die aktuelle zweite Auflage des Uranatlas zeige nicht nur gravierende Umweltschäden beim Uranabbau oder die Gefahren beim AKW-Betrieb auf. Sie belege auch, dass Atomkraft nichts zur Lösung der Klimakrise beitragen könne. „Der Bau neuer Atomkraftwerke ist zu teuer und viel zu langsam, um zukünftig etwas für den Klimaschutz bewirken zu können“, so Hamm. Um die Kohlekraftwerke weltweit durch AKW zu ersetzen, müssten weltweit 1500 neue Reaktoren gebaut werden. Das sei schlicht unmöglich. Teils seien nicht einmal bestehende AKW im Vergleich zu erneuerbaren Energien noch konkurrenzfähig, wie das Beispiel USA zeige. (Joachim Wille)

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