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Mehr tödliche Stürze

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Von: Steffen Herrmann

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Gefährliche Arbeit in der Höhe: Gerüstbauer.
Gefährliche Arbeit in der Höhe: Gerüstbauer. © imago images/Jochen Tack

Wie hat sich die Zahl der Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten während des Pandemiejahrs 2020 entwickelt? Die BG BAU sieht positive, aber auch negative Trends.

Es war eine durchwachsene Bilanz, die Hansjörg Schmidt-Kraepelin an seinem ersten Arbeitstag präsentierte. Zwar habe es im vergangenen Jahr weniger Arbeitsunfälle gegeben, sagte der neue Hauptgeschäftsführer der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) am Donnerstag. Aber: Gleichzeitig stieg die Zahl der Todesfälle auf deutschen Baustellen, und zwar deutlich: 2020 kamen 97 Menschen bei Arbeitsunfällen ums Leben, 27 mehr als noch im Vorjahr. Meist waren es Stürze aus großer Höhe. Die Gründe für den deutlichen Anstieg konnten die Fachleute der BG BAU nicht nennen. Starke Schwankungen seien im Jahresvergleich nicht unüblich.

Insgesamt sank die Zahl der Arbeitsunfälle um 2,6 Prozent auf 103 970. Auch die Unfälle, die auf dem Weg zur Arbeit passieren, lagen knapp zehn Prozent unter dem Vorjahreswert. Ebenfalls positiv: Die Corona-Pandemie habe man gemeistert, obwohl auf den Baustellen durchgearbeitet wurde. „Wir hatten keine Hotspots im Bau“, sagte Schmidt-Kraepelin.

Berufskrankheiten: Lungenkrebs, Schwerhörigkeit und weißer Hautkrebs

Bei den Berufskrankheiten verzeichnen die Fachleute der BG BAU einen leichten Anstieg. Besonders häufig wurden im vergangenen Jahr Verdachtsfälle auf Lungenkrebs und Schwerhörigkeit gemeldet. „Die meistangezeigte Berufskrankheit ist aber weißer Hautkrebs“, sagte Schmidt-Kraepelin. „Die Sonne ist gefährlich, wir müssen uns alle besser schützen.“

Auf den neuen Chef wartet viel Arbeit: In den meisten anderen Branchen liegt die Zahl der Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten deutlich niedriger. Das liegt nicht nur an der gefährlichen Arbeit auf Dächern, Gerüsten oder Baustellen. Sondern auch an einem falschen Berufsstolz, wie Gerd Renz sagte. Der Zimmerermeister war aus Baden-Württemberg zugeschaltet, wo er den Verband des Zimmerer- und Holzbaugewerbes führt. „Oft gelten noch diejenigen als Helden, die oben herumturnen und sich nicht festbinden.“

Arbeitsschutz: Teure und gute Helme

Damit sich das ändert, setzt die Genossenschaft auf Aufklärung und Vorsicht. Denn: „Mit wenigen Regeln kann man tödliche Gefahren reduzieren“, sagte Bernhard Arenz, der bei der BG BAU für Prävention zuständig ist. So sollen die Auszubildenden schon früh darin gestärkt werden, bei gefährlichen Situationen „Stopp“ zu sagen. Auch nach praktischen Lösungen wird gesucht: Netze, die über kleine Öffnungen gespannt werden, stabilere Leitern und Auffanggurte. Gerd Renz, selbst Unternehmer, nahm die Betriebe in die Pflicht: „Wir müssen als Arbeitgeber auch bereit sein, in die Arbeitssicherheit zu investieren.“ So habe er beobachtet, dass die Bereitschaft, einen Helm zu tragen, steige, wenn jeder Angestellte einen eigenen, teuren und hochwertigen Helm habe, zum Beispiel einen Bergsteigerhelm.

Die BG BAU ist die gesetzliche Unfallversicherung für die Bauwirtschaft und baunahe Dienstleistungen. Sie betreut rund 2,9 Millionen Versicherte in mehr als 500 000 Betrieben und etwa 50 000 privaten Bauvorhaben.

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