AKW-Brennelemente: Umstieg auf westliche Atome

Tschechien nutzt künftig keine russischen Brennelemente mehr. Die Marktmacht Russlands ist aber weiterhin groß. Das zeigt auch ein französisch-russisches Joint-Venture, das im Emsland Brennstäbe produzieren will.
Mehrere Länder in Osteuropa betreiben Atomkraftwerke russischer Bauart, darunter Bulgarien, die Slowakei, Tschechien und Ungarn. Bisher sind sie bei bestimmten Reaktortypen davon abhängig, dass Russland Brennelemente liefert. Trotz des Krieges in der Ukraine gab es daher eine Ausnahmeerlaubnis für entsprechende Transportflüge, etwa in die Slowakei. Doch nun sinkt die Abhängigkeit: Zumindest Tschechien wird ab 2024 keine Brennelemente mehr aus Russland nutzen. Die liefert dann das US-Unternehmen Westinghouse für das AKW Dukovany.
Eine Tochter des russischen Nuklearkonzerns Rosatom, das Unternehmen TVEL, war laut dem tschechischen Energiekonzern CEZ bisher der einzige Hersteller von Brennelementen für den älteren Reaktortyp WWER 440, der in Dukovany steht. Für sein weiteres AKW Temelin war CEZ bereits vor zehn Jahren auch auf Westinghouse als Lieferanten umgestiegen, der eine Produktionsstätte in Schweden betreibt.
Wie stark die Marktmacht Russlands im Bereich Atombrennstoffe aber weiterhin ist, illustriert eine aktuelle Nachricht zur Brennelemente-Fabrik in Lingen im Emsland, die der Tochter der französischen Atomfirma Framatome, „Advanced Nuclear Fuels“ (ANF), gehört. ANF will dort künftig zusammen mit der Rosatom-Tochter TVEL auch Brennstäbe für russische Meiler älterer Bauart in Osteuropa produzieren; dazu haben beide Unternehmen ein Joint Venture in Frankreich gegründet.
Die AKW in westlichen Ländern sind von Russland abhängig
Bisher produziert Lingen vor allem für AKW in westlichen Ländern. Rosatom besitzt das Monopol für die sechseckigen Brennstäbe, wie sie in den Alt-Reaktoren benötigt werden. Wegen des Ukraine-Kriegs stehen russische Unternehmen und Privatpersonen allerdings auf der Sanktionsliste der EU.
Ein entsprechender Antrag für Lingen liegt dem niedersächsischen Umweltministerium vor, wie die Behörde jetzt bestätigte. Über die Genehmigung des Antrags muss Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) entscheiden. Er kritisierte das Vorhaben. „Geschäfte mit Putin sollten beendet werden, das gilt auch und gerade für den Atombereich“, sagte Meyer dem NDR. Sie durch Joint Ventures, mit direkter oder indirekter Beteiligung Russlands zu verfestigen, halte er angesichts Putins Energiekrieg gegen Europa für fatal. Meyer betonte, Niedersachsen setzte sich gemäß dem rot-grünen Koalitionsvertrag auch für eine Beendigung der Urananlieferungen aus Russland an die Brennelementefabrik in Lingen ein.
NGOs kritisieren das Vorhaben massiv. Udo Buchholz vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) sagte: „In Lingen werden aktuell die Energie-Fehler der Vergangenheit einfach wiederholt, von einer Abhängigkeit zur nächsten.“ In einer gemeinsamen Mitteilung von Bündnissen, Initiativen und Verbänden fordert Buchholz „dringend ein politisches Veto aus Hannover und Berlin“.
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