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„Aktivistische Investoren sind keine Feinde“

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Von: Nina Luttmer

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Auch bei Bayer in Leverkusen mischen aktivistische Aktionäre mit.
Auch bei Bayer in Leverkusen mischen aktivistische Aktionäre mit. © imago/(Symbolbild)

Unternehmensberater Patrick Siebert über den Einstieg kritischer Fonds bei Konzernen wie Bayer und die Folgen für das Management.

In vielen Unternehmen, nicht nur in Deutschland, sind sogenannte aktivistische Investoren unterwegs. Diese Fonds, meist aus den USA, kaufen sich mit zwei, drei oder auch sechs Prozent in die Firmen ein, verbünden sich dann teils miteinander – um dann Veränderungen durchzusetzen mit dem Ziel, den Wert ihrer Beteiligung zu steigern. Thyssen-Krupp hat das in der Vergangenheit erlebt, das Software-Unternehmen Teamviewer erfährt es momentan, genau wie der Chemikalienhändler Brenntag und der Leverkusener Konzern Bayer. Was diese Aktionäre erreichen wollen, muss nicht unbedingt schlecht für das Unternehmen sein, sagt Patrick Siebert vom Beratungsunternehmen Alvarez & Marsal.

Herr Siebert, können Sie erst einmal erläutern, was genau man unter einem aktivistischen Investor versteht?

Es sind Investoren, die eine klare Investmenthypothese haben und diese auch vertreten – zum Beispiel auf der Hauptversammlung, mittels Briefen an Vorstand oder Aufsichtsrat der betroffenen Unternehmen oder sogar über die Öffentlichkeit. Sie wollen durchsetzen, was aus ihrer Sicht an strategischer Repositionierung nötig ist, um den Wert des Unternehmens zu steigern.

Und woran machen diese Fonds das fest?

Sie schauen sich die globale Peer Group des Unternehmens an. Wie steht das Unternehmen im internationalen Wettbewerbsvergleich da? Und fragen dann: Wieso geht es ihm schlechter als der Konkurrenz? Was müsste getan werden? Sie steigen also in Unternehmen ein, die ihrer Ansicht nach nicht gut genug performen.

In einem Report haben Sie vor einigen Wochen geschrieben, dass 29 großen deutschen Unternehmen innerhalb der kommenden 18 Monate der Einstieg aktivistischer Investoren droht. Das sind mehr, als Sie in anderen europäischen Ländern erwarten. Stehen deutsche Firmen so schlecht da?

Bezogen auf die Umsatzentwicklung haben deutsche Unternehmen zuletzt mitgehalten. Aber bei der Profitabilität und der Rentabilität hinken sie der ausländischen Konkurrenz oft hinterher. Das ist ein Einfallstor für aktivistische Investoren. Sie zielen auf wettbewerbsfähige Kostenstrukturen ab, und Hinterfragen das Management. Zudem waren in Deutschland in der Vergangenheit große Konglomerate wie etwa Thyssen und Bayer erfolgreich. Doch die Investoren fragen heute oft: Ist die Summe der einzelnen Geschäftsbereiche nicht mehr wert als das Konglomerat? Kann Nicht-Kerngeschäft veräußert werden, um finanzielle Mittel freizusetzen, die dann in das Kerngeschäft investiert werden? Können ausgewählte Geschäftsbereiche an die Börse gebracht werden? Das sind ja auch berechtigte Fragen.

Patrick Siebert
Patrick Siebert ist Managing Director bei der Unternehmensberatung Alvarez & Marsal in Hamburg. © Privat

Finden Sie? Franz Müntefering würde vielleicht wieder von Heuschrecken reden, die die Unternehmen abgrasen und dann weiterziehen.

Ich finde den Begriff Heuschrecken zu polemisch. Jeder Firmenlenker fragt sich heutzutage, wie sein Unternehmen im internationalen Wettbewerb bestehen kann. Die Zeiten sind schnelllebiger geworden und Firmen in anderen Ländern sind wendiger und profitabler geworden. Gründe dafür können sein, dass Konglomeratsstrukturen und Bürokratie in anderen Ländern weniger stark ausgeprägt sind. Dann muss man sich als Vorstand eines deutschen Unternehmens vielleicht umstellen oder zumindest hinterfragen: Ist das noch das richtige Set-up? Eine anhaltende Underperformance gegenüber dem Wettbewerber belohnt kein Aktionär.

Aktivistische Investoren sind also nicht unbedingt Feinde des Unternehmens?

Nein, sie sind keine Feinde, die deutsche Unternehmen oder den Wirtschaftsstandort zerschlagen wollen. Markt und Wettbewerb ist stets global zu betrachten. Und Investoren haben sich oft bis zu zwei Jahre lang mit dem Unternehmen beschäftigt, in das sie dann einsteigen. Sie haben die Zahlen genau analysiert, mit den Wettbewerbern verglichen, mit Insidern aus der Branche diskutiert. Das heißt nicht, dass alles was sie wollen richtig ist. Aber Firmenmanager tun gut daran, sich mit den vorgebrachten Argumenten auseinanderzusetzen.

Machen sie das, oder ducken sie sich weg?

Sie machen das heute viel professioneller als noch vor ein paar Jahren. Die meisten großen Unternehmen haben heute nur für das Thema aktivistische Investoren eigene Teams. Alvarez & Marsal berät die Unternehmensseite, nicht die Investoren. Und wir haben oft Unternehmen, die präventiv auf uns zukommen und sagen: „Gebt uns bitte mal den Blick aus Sicht des Kapitalmarkts. Sind wir ein potenzielles Ziel für aktivistische Investoren?“ Das Bewusstsein für das Thema ist viel größer als noch vor ein paar Jahren.

Aber Tatsache ist doch, dass diese Investoren sich vor allem für kurzfristige Rendite interessieren?

Dagegen verwehren sie sich nicht – in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage sogar noch weniger als noch vor einigen Jahren. Angesichts des gestiegenen Zinsniveaus, der volatilen Aktienmärkte und der geopolitischen Unsicherheiten sind Investoren unter Druck, Renditechancen zu realisieren. Natürlich ist das ein Spannungsfeld: Das Management denkt mittel- bis langfristig, Investoren sind eher an kurzfristigen Erfolgen interessiert. Einige Thesen aktivistischer Investoren waren in der Vergangenheit wirkungsvoll; und das nicht zu Lasten des Unternehmenswerts. (Interview: Nina Luttmer)

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