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Luft unterm Flügel

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Von: Stefan Brändle

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Flughafen Toulouse: Mit dem Beluga XL transportiert Airbus Flugzeugkomponenten zwischen den Standorten Hamburg und Toulouse.
Flughafen Toulouse: Mit dem Beluga XL transportiert Airbus Flugzeugkomponenten zwischen den Standorten Hamburg und Toulouse. © Charly Triballeau/afp

Airbus ist nach der Corona-Flaute zurück in der Gewinnspur. Mehr noch: Der Flugzeugbauer kann sich vor Aufträgen kaum retten. Doch Lieferkettenprobleme bremsen das Unternehmen aus.

Airbus, aktuell der mit Abstand größte Flugzeugbauer, kämpft sich aus dem Luftloch. Vor zweieinhalb Jahren hatte das deutsch-französisch-spanische Unternehmen noch 15 000 Arbeitsplätze – mehr als zehn Prozent seines Bestandes – abgebaut. Die Bestellungen brachen ein, einzelne Fluggesellschaften holten ihre früher sehnlichst erwarteten Maschinen nicht einmal mehr ab – und Konzernchef Guillaume Faury zweifelte sogar, wie er sagte, am „Überleben“ des Konzerns. Kein Trost war es für die Europäer, dass es dem US-Rivalen Boeing noch dreckiger ging.

Nun rappeln sich die Europäer wieder auf. Davon zeugt die Bilanz für das Jahr 2022, die Faury am Donnerstag präsentierte. Er sprach von einem komplexen Geschäftsjahr in einem „widrigen Geschäftsumfeld“. Der Umsatz des Flugzeugbauers stieg im vergangenen Jahr um 13 Prozent auf 58,8 Milliarden Euro, der Reingewinn im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Prozent auf rekordhohe 4,25 Milliarden, was den Aktienkurs hochtrieb – und den am Mittwoch nominierten neuen Finanzchef Thomas Töpfer ebenso freuen dürfte wie die Aktionärinnen und Aktionäre. Ihnen winkt eine höhere Dividende: Die Ausschüttung soll von 1,50 auf 1,80 Euro je Aktie steigen.

Airbus-Chef Faury: „Wir passen unsere Produktion den Lieferkapazitäten an.“

Airbus lieferte im letzten Jahr 661 Flugzeuge aus. Das Plansoll von 720 Rollouts muss der Airbus-Chef aber von diesem auf das nächste Jahr verschieben. „Das ist natürlich frustrierend“, sagte Faury. Er räumte zudem ein, dass der Konzern auch 2023 noch unter „Störungen“ leiden werde. Es mangelt an Fachkräften und vor allem an Rohstoffen – neuerdings auch Stahl. Faury konnte nicht verhehlen, dass die Auslieferungen im Januar sogar auf 20 Flugzeuge absackten. „Das darf nicht mehr vorkommen!“, soll der sonst so gelassene Franzose seinen Führungskräften wütend eingebläut haben, wie Insider erzählen.

Immerhin sind die Lieferengpässe nicht mehr existenzbedrohend. „Wir passen unsere Produktion den Lieferkapazitäten an“, sagte der Konzernchef. Deshalb könne die Produktion des Erfolgsmodells A320neo erst 2024 auf 65 und 2026 auf 75 pro Monat erhöht werden – das heißt ein Jahr später als geplant. Fast vier dieser Bestseller-Maschinen sollen dann täglich die Hangars in Hamburg und Toulouse verlassen. Vor der Pandemie hatte die Produktion der Reihe bei etwa 60 im Monat gelegen.

Flieger in Russland

Die Wartung von Airbus-Flugzeugen in Russland gibt laut dem Airbus-Vorsitzenden Guillaume Faury Anlass zu Besorgnis . Wegen der westlichen Sanktionen hätten die russischen Airlines Mühe, an Ersatzteile zu kommen, sagte der Konzernchef bei der Airbus-Pressekonferenz in Toulouse.

Seit Kriegsbeginn in der Ukraine habe Airbus keinen Kontakt mehr zu Instanzen in Russland und deshalb auch keine gesicherten Informationen. Faury betonte aber, sein Unternehmen stehe voll und ganz zu den Sanktionen, die unter anderem die russische Luftverkehrsindustrie treffen. brä

Vor allem aber kann sich Airbus vor Bestellungen kaum retten. Die Auftragsbücher sind mit mehr als 7000 Ordern prall gefüllt. Viele Kunden warten bis zu fünf Jahre auf die bestellten Flieger. Faury muss verhindern, dass die Airlines und Leasingfirmen zu Boeing abwandern. Nach den Pannen des Krisenmodells 737 Max machen die Amerikaner langsam wieder Boden gut. 2022 lieferte Boeing 480 Maschinen aus, dreimal mehr als 2020.

In Zukunft wird es für beide Flugzeugbauer genug Arbeit geben. Wie der Weltairlineverband Iata vor wenigen Tagen mitgeteilt hat, erreicht der Flugverkehr wieder 68,5 Prozent des Vorkrisenvolumens. Ohne den chinesischen Rückstand sähe die Lage noch besser aus: In Amerika und Europa werden schon wieder fast so viele Passagierkilometer geflogen wie 2019. Ein deutlicher Rückstand besteht noch auf Langstreckenflügen: Sie haben erst wieder 62,2 Prozent des Umfangs von 2029 erreicht.

Airbus rechnet damit, dass sich die Zahl der Zivilflugzeuge innerhalb von 20 Jahren verdoppelt

Faury schätzt, dass der Vorkrisenstand bis zum Jahr 2025 wieder erreicht sein sollte. Und auch danach zeigen die Prognosen nach oben. Laut dem letzten globalen Marktausblick von Airbus werden im Jahr 2041 am Himmel 34 490 Flieger ihre Bahnen ziehen. Aktuell sind es knapp 20 000. Innerhalb weniger als zwanzig Jahren soll sich die Zahl großer Zivilflugzeuge also nahezu verdoppeln.

Die Branche geht davon aus, dass die Region Asien-Pazifik der treibende Markt sein wird, noch vor Europa und den USA. Einen Vorgeschmack auf die gewaltigen Zuwachsraten gab Anfang der Woche die Fluggesellschaft Air India, als sie bei Airbus und Boeing auf einen Schlag 470 Maschinen orderte. Airbus-Verkaufschef Christian Scherer deutete an, diese „historische“ Rekordbestellung sei wohl nicht die letzte aus Indien, das in wohl nicht allzu ferner Zukunft China als das bevölkerungsreichste Land der Welt ablösen wird. Am Donnerstag wurde bekannt, dass sich Air India auch noch 370 Kaufoptionen gesichert hat.

Airbus-Chef Guillaume Faury bei der Bilanzvorlage am Donnerstag.
Airbus-Chef Guillaume Faury bei der Bilanzvorlage am Donnerstag. © Charly Triballeau/afp

Das Problem dabei ist der CO2-Ausstoß des zivilen Luftverkehrs. Faury relativiert, er betrage „nur“ 2,5 Prozent der weltweiten Klima-Emissionen. Bis 2035 verspricht er die serienmäßige Produktion eines wasserstoffbetriebenen, also dekarbonisierten Mittelstrecken-Carriers. Bedingung sei aber, dass die Energie-Industrie bis dahin ausreichend grünen Wasserstoff anbieten kann.

Für die besonders schadstoffreichen Langstreckenflugzeuge hat Airbus keine probate Lösung. Nachhaltiger Treibstoff (SAF), effizientere Triebwerke, Kompositstoffe und die Aerodynamik sollen immerhin eine CO2-Reduktion von rund 25 Prozent gegenüber den aktuellen Emissionen ermöglichen. Faury versprach am Donnerstag einen massiven Forschungseinsatz. So intensiv er auch ausfallen wird: Unter dem Strich dürfte der zivile Luftverkehr in 20 Jahren nicht weniger, sondern mehr CO2 ausstoßen, falls sich die Zahl der Flugzeuge am Himmel wirklich verdoppeln sollte.

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