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Adidas will mit Roboterfabrik die Branche revolutionieren

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Von: Thomas Magenheim-Hörmann

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„Als Sportunternehmen wissen wir: Schnelligkeit siegt“.
„Als Sportunternehmen wissen wir: Schnelligkeit siegt“. © REUTERS

Adidas tüftelt in einer fränkischen Kleinstadt an der ersten Roboter-Serienproduktion für Laufschuhe. Sie soll billiger und schneller produzieren als die Konkurrenz in Asien.

Auf offener Bühne kämpfen Sportartikelhersteller und die von ihnen ausgerüsteten Fußballmannschaften derzeit in Frankreich um die Krone Europas. Abgeschottet vom Blick der Öffentlichkeit aber hat ein Ringen begonnen, das für die Industrie noch viel wichtiger sein könnte als eine Europameisterschaft. Denn seit 30 Jahren fertigt sie vorwiegend bei asiatischen Zulieferern in mehr oder weniger gleichen Strukturen. Steigen in einem Land einmal die Löhne für Näherinnen, zieht die Karawane eben weiter ins nächste Niedriglohnland. Aber am Prinzip ändert sich nichts. Bis jetzt Roboter zu nähen und zu kleben begonnen haben. „Das kann die Branche verändern“, sagt Branchenanalyst Thomas Hofmann von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) in Stuttgart.

Denn dadurch könne man die Produktion lokalisieren und zu den Kunden verlagern, immense Zeitvorteile schaffen und – wenn alles klappt – auch noch billiger fertigen als per Handarbeit in Asien. Die Nase bei dieser Entwicklung vorn hat derzeit der weltweit zweitgrößte Sportartikler Adidas, schätzt Hofmann. Ebenfalls an der Technologie arbeitende US-Konkurrenten wie Nike oder Under Armour seien noch nicht so weit. Damit könnten die Franken sich einen wichtigen Vorsprung vor Weltmarktführer Nike sichern, nachdem Adidas zuletzt schon zum ewigen Zweiten verdammt schien.

„Als Sportunternehmen wissen wir: Schnelligkeit siegt“, sagt der scheidende Adidas-Chef Herbert Hainer. Schon deshalb nennt Adidas die vermeintliche produktionstechnische Zukunft Speedfactory. Begonnen hat sie in der mittelfränkischen Kleinstadt Ansbach, wo Adidas gerade mit Technologiepartner Oechsler auf dessen Gelände am Aufbau einer ersten Roboterserienproduktion für Laufschuhe tüftelt. „Mit der Speedfactory revolutionieren wir die Industrie“, verspricht Hainer. Eine zweite Roboterfabrik entsteht in den USA. Nike & Co. können Vergleichbares nicht vorweisen.

Beide Adidas-Produktionsstätten sollen 2017 die Serienfertigung aufnehmen und pro Jahr zusammen eine Million Paar Laufschuhe herstellen. Gemessen an den gut 300 Millionen Paar, die Adidas voriges Jahr verkauft hat, ist das nicht mehr als einen Tropfen auf den heißen Stein. Aber es ist auch nur der erste Schritt. „Auf mittlere Sicht werden Sie in allen großen Absatzmärkten Fabriken von uns finden“, sagt Hainer. Roboter können ein Paar Schuhe fünf Stunden nach Bestellung ausliefern. Auf traditionellem Weg über asiatische Lohnfertigung und Transport per Schiff dauert das mehrere Monate.

Man dürfe aber nicht nur den Zeitvorteil sehen, auch wenn der das Wichtigste ist, sagt Analyst Hofmann. Keine langen Transportwege bedeute auch weniger klimaschädliche Schadstoffe und Adidas könne wieder wie der Textilfabrikant Trigema mit „Made in Germany“ werben. Die Billiglohnländer, in denen die Produktion wegfällt, könnten allerdings Probleme bekommen.

So weit ist es aber noch nicht. Adidas plant zweistelliges Wachstum, was dieses Jahr 30 Millionen Paar zusätzliche Schuhe bedeutet, rechnet eine Sprecherin vor. Vorerst könnten die Speedfactories also nur einen kleinen Teil des zusätzlichen Bedarfs decken, von der schon bestehenden Produktionsmenge ganz abgesehen. Die Produktion in Fernost wird nicht überflüssig, versichert Hainer. Das gilt auch für Personal, selbst wenn Roboterfabriken ohne Näher oder Schuster auskommen. In den beiden Pilotfabriken in Ansbach und den USA sollen je 160 Fertigungs- und Wartungsspezialisten arbeiten. Es geht also auch um neue Hightech-Jobs in Deutschland.

Was ein Paar Schuhe aus Roboterfertigung kostet, verrät Adidas noch nicht. Auch Technikpartner Oechsler schweigt zum Investitionsaufwand für Roboterfabriken. Under Armour hat jüngst in einer limitierten Auflage Sportschuhe im 3D-Drucker hergestellt und für 300 Dollar das Paar verkauft. Aber die Oechsler-Technologie ist eine andere. Hier wird nicht gedruckt, sondern genäht und geklebt. Experten schätzen die Technik kostengünstiger als 3D-Druck ein.

Die Visionen gehen aber noch weiter. In verkleinerter Form können Fertigungsroboter auch einmal in Adidas-eigenen Läden stehen und vor den Augen eines wartenden Kunden dessen Wunschschuh produzieren, glaubt Hainer. Schuhe seien zudem nur der Anfang, heißt es in Herzogenaurach mit dezentem Verweis auf Textilien als zweite große Produktkategorie der Franken. So verhandelt Adidas derzeit mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) über eine Verlängerung des Ausrüstervertrags für die Jahre nach 2019. Teil des Adidas-Angebots ist die Zusage, das DFB-Trikot dann wieder in Deutschland zu produzieren. So wie es aussieht, kommt die Produktionsverlagerung zwar nicht schnell zurück nach Deutschland, aber sie könnte noch ungeahnte Dimensionen annehmen.

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