„14 Mal von der Erde bis zum Mond“

Selbst Milch wird inzwischen in Plastik-Einwegflaschen verkauft. Glasflaschen sind auch gar nicht mehr leicht zu bekommen. Umweltschützer rufen Verbraucher zumMitdenken auf.
Der Trend schmeckt nicht jedem. Milch kommt in Einweg-Plastikflaschen ins Kühlregal. Der Discounter Lidl etwa verkauft die Weide- und die Alpenmilch der Eigenmarke ‚Milbona“ in der PET-Einwegflasche. Konkurrent Penny hat die Milch seiner Marke „Elite“ genauso verpackt.
Ihre Kunden schätzten die Plastikflaschen wegen „ihrer ansprechenden transparenten Optik, ihres geringen Gewichts, ihrer Unzerbrechlichkeit und Transportfähigkeit“, erklärte Lidl dieser Zeitung. Penny schrieb: „Entscheidend für die Listung war die positive Resonanz der Kunden, die den deutlichen Gewichtsvorteil gegenüber einer klassischen Glasvariante schätzen.“
Allein: Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe hält das alles für einen „ökologischen Irrsinn“. Er rät vom Kauf der Einwegflaschen ab und zählt auf: „Pro Jahr werden in Deutschland 16,4 Milliarden Plastikflaschen weggeschmissen. Das sind 470 000 Tonnen Müll. Stellt man all die Flaschen übereinander, reicht das 14 Mal von der Erde bis zum Mond.“ Deutschland solle die „Abfallvermeidung nicht einfach über Bord werfen“, fordert er. Doch stattdessen sei Mehrweg auf dem Rückzug.
Laut Bundesumweltministerium werden derzeit nur noch 43 von 100 verkauften Verpackungen für Bier, Wasser, Erfrischungsgetränke – Milch ist bei diesen Statistiken nicht einbezogen – wieder befüllt. Vor rund 20 Jahren waren es noch 65 von 100. Zwar hat die Bundesregierung in dem seit Januar 2019 geltenden Verpackungsgesetz eine Mehrwegquote von 70 Prozent festgeschrieben, setzte aber keine Sanktionen fest, wenn dieses Ziel gerissen wird.
Darunter litten nun auch jene, sagt Experte Fischer, die ihre Getränke gerne in Mehrweg-Glasflaschen abfüllen wollten – nicht nur Mineralbrunnen, sondern auch Molkereien.
Das Problem: Als in den vergangenen Jahren die großen Discounter und Supermärkte mehr und mehr auf Einweg-Plastik setzten, haben viele Glashersteller ihre Produktion zurückgefahren. Wollten sie diese wieder aufnehmen, müssten sie jetzt millionenschwere Investitionen tätigen, rechnet Fischer vor. Das lohne sich langfristig aber nicht, wenn nur eine Molkerei kleinere Bestellungen aufgebe. Fischer fordert stattdessen: „Die Flaschenproduzenten brauchen Planungssicherheit. Die gibt es aber nur, wenn die Mehrwegquote endlich verbindlich festgelegt wird. Dann können Kapazitäten in großem Maßstab ausgebaut werden.“
Aber ist Mehrweg wirklich besser? Die Verfechter der Einweg-Plastikpullen argumentieren, diese seien viel leichter als die Mehrwegglasflaschen, so dass für ihren Transport auch viel weniger Energie benötigt werde und sie ökologischer seien. Zudem habe die Industrie die Wegwerfflaschen auch weiterentwickelt. Lidl zum Beispiel erklärt, dass die PET-Einwegflaschen im Schnitt mindestens zur Hälfte aus recyceltem Plastik bestünden.
„Sicher, es gibt Innovationen“, sagt Umweltschützer Fischer, „das Gewicht der Mehrweg-Glasflaschen ist aber auch reduziert worden, für das Spülen wird mittlerweile weniger Wasser und weniger Energie verbraucht.“ Für ihn ist Mehrweg in jedem Fall besser als Einweg.
Konkret meint er: „Wenn Recyclingmaterial für Einweg-Plastikflaschen eingesetzt wird, bedeutet das nicht, dass diese auch umweltfreundlich sind. Damit aus alten Einweg-PET-Flaschen neue hergestellt werden können, müssen diese eingesammelt, zerkleinert, gereinigt und eingeschmolzen werden. Auch das kostet Energie. Im Durchschnitt bestehen Einweg-Plastikflaschen nur zu 28 Prozent aus Recyclingmaterial. Der Rest wird aus rohölbasiertem Neumaterial hergestellt, und das ist alles andere als klimafreundlich.“
Das Plastikmüll-Problem werde nicht dadurch gelöst, dass mehr Einwegverpackungen aus Kunststoff in die Verkaufsregale gestellt würden, kritisiert Fischer. Erst vor wenigen Wochen hätten Wissenschaftler in der Tiefsee, auf dem Meeresgrund in mehr als 4000 Metern Tiefe, eine rund 20 Jahre alte Quarkpackung eines deutschen Herstellers gefunden, die trotz der Jahrzehnte wie neu gewesen sei.
Sein Tipp für den Einkauf: „Am besten kaufen Sie Milch und andere Getränke aus der Region in der Glas-Mehrwegflasche.“ Und wenn es die nicht gibt? Er tut sich schwer, etwas Anderes zu empfehlen. Bei anderen Getränken würde er auch zur Mehrweg-Plastikflasche raten. Die gibt es für Milch aber nicht. So sagt er: „Im Zweifel ist dann der Schlauchbeutel besser als der Getränkekarton oder die Einwegplastikflasche.“