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Kritik am Nutri-Score: Bewertungen auf Lebensmitteln erstaunen

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Von: Yannick Wenig

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Der Nutri-Score soll die Auswahl von gesunden Lebensmitteln vereinfachen. Manche Bewertungen überraschen allerdings (Archivbild)
Der Nutri-Score soll die Auswahl von gesunden Lebensmitteln vereinfachen. Manche Bewertungen überraschen allerdings (Archivbild) © Imago/Christoph Hardt

Mit dem Nutri-Score sollen gesunde und ungesunde Lebensmittel kenntlich gemacht werden. Aber das System hat Schwachstellen.

Frankfurt - Gesunde Ernährung ist wichtig. Aber welche Lebensmittel sind überhaupt gut für die Gesundheit? Um diese Frage für jeden zu beantworten hat der Deutsche Bundesrat im Jahr 2020 der freiwilligen Nutzung des sogenannten Nutri-Scores zugestimmt, um gesunde Lebensmittel - und jene, die es nicht sind - auf den ersten Blick als solche zu kennzeichnen. Das Konzept der Kennzeichnung stammt von unabhängigen Ernährungswissenschaftlern aus Frankreich und England. Eine 100-prozentige Verlässlichkeit bietet das System allerdings nicht.

Seit dem 6. November 2020 können Hersteller die fünfstufige Nutri-Score-Farbskala von A bis E auf ihren Produkten platzieren und Kund:innen so auf die Nährwerteigenschaften der entsprechenden Lebensmittel hinweisen. Verschiedene Produkte aus einer Lebensmittel­gruppe lassen sich somit schnell und unkompliziert vergleichen. Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist der Nutri-Score* „damit eine sinnvolle Ergänzung zu den rechtlichen vorgeschriebenen Angaben wie Zutatenliste und Nährwerttabelle – und bietet Verbraucherinnen und Verbrauchern Orientierung bei der Lebensmittelauswahl im Rahmen einer gesunden, ausgewogenen Ernährung.“

Welche Lebensmittel sind gesund, welche ungesund? Der Nutri-Score soll Hilfe leisten

Beim Einkaufen im Supermarkt oder Discounter sehen Kund:innen also direkt, ob sie ein gesundes Lebensmittel kaufen oder nicht. Nun, ganz so einfach ist es nicht. Denn der Nutri-Score basiert auf einem relativ simplen Berechnungssystem, bei dem die verschiedenen Inhaltsstoffe der Lebensmittel bewertet werden und daraus eine Gesamtpunktzahl erstellt wird.

Gesamtpunktzahl für LebensmittelBuchstabe auf der Nutri-Score-Skala
-15 bis -1 PunkteA
0 bis 2 PunkteB
3 bis 10 PunkteC
11 bis 18 PunkteD
19 und mehr PunkteE
Quelle: test.de

Ballaststoffe, Proteine, Nüsse, Obst und Gemüse erhalten eine positive Bewertung von 0 (nicht vorhanden) bis 15 (viele der vorteilhaften Nähr­stoffe). Lebensmittel mit viel Zucker, Kalorien, gesättigten Fettsäuren und Salzen dagegen negative Punkte - von 0 (optimal) bis 40 (besonders schlecht). „Je nied­riger das Gesamt­ergebnis, desto besser. Es bestimmt, welcher Buch­stabe hervorgehoben wird. Der Nutri-Score wird nicht für Portionen, sondern für 100 Gramm oder 100 Milliliter eines Produkts berechnet“, erklärt Stiftung Warentest.

Nutri-Score berücksichtigt nicht alle Inhaltsstoffe – Berechnungsformel liefert auch Probleme

Die Stiftung Warentest kritisiert allerdings, dass beispielsweise sekundäre Pflanzenstoffe, Vitamine oder Omega-3-Fettsäuren* keine Berücksichtigung im Nutri-Score finden. „Außerdem können Verbraucher im Geschäft nicht nach­voll­ziehen, wie die Berechnung zustande gekommen ist“, heißt es auf der Seite der Produkttester. Dadurch erhält beispielsweise Olivenöl aufgrund des hohen Fettgehaltes einen besonders schlechten Nutri-Score (E). Das zeigt, dass die Gegenrechnung von gesunden und ungesunden Inhaltsstoffen durchaus Fallen bietet, in die Kund:innen beim Kauf der Ware leicht tappen können. Selbst hinter einem Produkt mit dem Nutri-Score A oder B können sich aufgrund dessen echte Zucker- und Kalorienbomben verbergen.

Aber macht der Nutri-Score dann überhaupt Sinn? Durchaus, wie die Verbraucherzentrale erklärt: „Ein Label wie der Nutri-Score eignet sich vor allem für komplex zusammengesetzte und stark verarbeitete Lebens­mittel.“ Allerdings ist es wichtig, dass Verbraucher:innen dabei auch berücksichtigen, dass die Bewertungsskala lediglich Lebensmittel der gleichen Produktgruppe miteinander vergleicht. Somit kann es vorkommen, dass beispielsweise eine Tiefkühlpizza einen besseren Nutri-Score erhält, als ein Naturjoghurt. Ein B oder gar ein A auf einer Tiefkühlpizza heißt damit also nicht, dass es sich hierbei um ein Lebensmittel für eine gesunde und ausgewogene Ernährung handelt. Lediglich, dass das Produkt im Vergleich zu anderen Tiefkühlpizzas gesünder ist.

Im Jahr 2022 gibt es jedoch eine Änderung beim Nutri-Score-System: Der Spielraum für Tricksereien soll weniger werden.

Gesund oder ungesund? Nutri-Score bleibt freiwillig: Verbraucherzentrale übt Kritik

Das erklärt auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf seiner Seite: „Der Nutri-Score gibt beim Einkauf eine schnelle Orientierung, welche Lebensmittel im Vergleich zu anderen Lebensmitteln der gleichen Kategorie den günstigeren Nährwert aufweisen und damit eher zu einer ausgewogenen Ernährung beitragen.“ Außerdem heißt es aus dem Ministerium um die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Julia Klöckner (CDU*), dass der Nutri-Score die Lebensmittelhersteller mittelfristig dazu motivieren könne, „die Rezepturen ihrer Produkte hin zu einer ernährungsphysiologisch günstigeren Zusammensetzung zu verändern.“

Dennoch gibt es Kritik. Unter anderem vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der die freiwillige Nutzung des Nutri-Scores kritisiert. Die Freiwilligkeit bedeute erfahrungsgemäß, „dass nicht alle Lebensmittelunternehmen mitmachen“, erklärt vzbv-Vorstand Klaus Müller, der stattdessen eine verbindliche und europaweit einheitliche Ampel zur Kennzeichnung von gesunden und ungesunden Lebensmitteln fordert. Auch das Verbrauchermagazin Ökotest fordere laut focus.de ein konsequenteres Vorgehen von Julia Klöckner und ihrem Ministerium. (Yannick Wenig) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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