„Situation derzeit katastrophal“: 35 Prozent der Deutschen haben Probleme beim Kauf von Medikamenten
Medikamentenengpässe und Apotheken-Sterben – Gründe für Probleme beim Kauf von Medikamenten gibt es viele. Rund ein Drittel der Deutschen kommen nur schwer an ihre Arznei.
Frankfurt – Ob Fiebermedikament oder Schmerzmittel – Medikamente braucht jeder mal. Doch bei der Versorgung mit Arzneimitteln in Deutschland sieht es aktuell nicht besonders gut aus: Schon seit Monaten kommt es immer wieder zu Lieferengpässen. Infolgedessen werden einige Medikamente knapp; eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht.
Die Situation wird zusätzlich durch ein Apotheken-Sterben verstärkt, in diesem Jahr ist die Zahl der Filialen auf den gleichen Stand wie vor 40 Jahren gesunken. Das macht sich auch bei den Kaufenden bemerkbar. In einer Umfrage im Rahmen einer Studie im Auftrag des Bundesbarbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) gaben rund 35 Prozent der Befragten an, dass sie im vergangenen Jahr Schwierigkeiten beim Kauf von Medikamenten hatten. Bei einer ähnlichen Umfrage des BAH aus dem Vorjahr gaben nur 18 Prozent der Befragten an, Probleme beim Medikamenten-Kauf gehabt zu haben. Doch nicht nur die Nutzenden sind unzufrieden. Kritik gibt es auch von den Apotheken selbst.
Probleme beim Kauf von Medikamenten – Engpässe bei fast 500 Arzneimitteln
Lieferengpässe gab es zuletzt etwa bei Antibiotika und Fiebersäften für Kinder, was viele Eltern zum Verzweifeln brachte. „Antibiotika sind lebenswichtige Arzneimittel, aber die Liefersituation ist derzeit katastrophal“, mahnte Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) führt derzeit 483 Meldungen zu Lieferengpässen auf – bei rund 100.000 zugelassenen Arzneimitteln in Deutschland. Für viele knappe Medikamente gebe es aber Alternativen, so die Behörde.

Etwa 40 Prozent der Betroffenen versuchten zu einem späteren Zeitpunkt ihr benötigtes Medikament zu holen und mehr als 30 Prozent mussten auf ein anderes Medikament als das ursprünglich gewünschte zurückgreifen. Für sieben Prozent der Betroffenen musste ein neues Rezept ausgestellt werden, da das Medikament vergriffen war.
Engpässe und Medikamentenmagen: Pharmabranche kritisiert „übertriebene Kostendämpfungspolitik“
Die Bundesregierung setzt im Kampf gegen knappe Arzneien an mehreren Stellen an. So sollen größere Vorräte der Hersteller als Puffer dienen. Zudem soll es eine Pflicht zur Lagerhaltung geben, sodass Medikamente für mehrere Monate vorrätig sind. Das soll kurzfristige Störungen in der Lieferkette oder einen kurzzeitigen Mehrbedarf abfedern. Es soll außerdem neue Preisregeln geben, um die Lieferungen nach Deutschland für Hersteller attraktiver machen.
Kritik gibt es von der Pharmabranche – Die „übertriebene Kostendämpfungspolitik“ der vergangenen Jahre habe zu einem enormen Preisdruck geführt, besonders auf Hersteller patentfreier Medikamente, sagte BAH-Hauptgeschäftsführer Hubertus Cranz. „Die Folge sind die Auslagerung der Lieferketten mit Fokus auf Asien sowie eine Ausdünnung der Anbieterstruktur im Markt, weil sich für viele Unternehmen die Produktion wirtschaftlich nicht mehr lohnt.“ Bereits jetzt erhalten 70 Prozent der Medikamente Wirkstoffe aus China, was Deutschland abhängig macht. (kiba/dpa)