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Gleicher Verdienst: Darum können Arbeitnehmerinnen jetzt höheren Lohn einklagen

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Von: Nadja Austel

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Gleichstellung
Nur in rund 20 Prozent der in einer neuen Studie untersuchten Personen- und Kapitalgesellschaften sitzt mindestens eine Managerin in der Führungsetage. © Franziska Gabbert/dpa-tmn

Kein Verhandlungsgeschick? Kein Grund, nicht das Gleiche wie männliche Kollegen zu verdienen. Neues Urteil stärkt den Anspruch auf gleiche Bezahlung von Frauen und Männern.

Erfurt – Freudentränen: Die Klägerin aus Sachsen bekommt Recht vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG). Und diese höchstrichterliche Entscheidung kann nun auch vielen anderen Frauen helfen. Ihre Anwältinnen sprachen von einem Meilenstein. In der Einarbeitungszeit für ihren Job im Vertrieb einer sächsischen Metallfirma wurden ihr monatlich 3.500 Euro angeboten. Die 44 Jahre alte Dresdnerin stimmte zu. Doch nur kurze Zeit später stellte sich heraus: Ihr männlicher Kollege, der zwei Monate zuvor eingestellt wurde und den gleichen Job machte, verdiente sehr viel mehr.

Als die Diplomkauffrau vom Chef der Metallfirma daraufhin die gleiche Bezahlung forderte, hatte sie in den Augen des Arbeitgebers schlichtweg Pech gehabt. Sie habe bei ihrer Einstellung eben schlechter verhandelt als ihr männlicher Kollege. Beiden sei zunächst das gleiche Angebot gemacht worden, der Mann habe allerdings mehr Gehalt gefordert – sonst hätte er nicht unterschrieben.

Und bei dem Unterschied, den diese ausgeklügelte Gehaltsverhandlung, handelt es sich um keinen sprichwörtlichen Pappenstiel: Stattliche 1.000 Euro monatlich bekam der männliche Kollege daraufhin angeboten. Und selbst zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem ein Tarifvertrag eingeführt wurde, erhielt er – bei gleichen Verantwortlichkeiten und Befugnissen, wie vor Gericht betont wurde – noch immer 500 Euro mehr.

Pay Gap: Frauen steht das gleiche Gehalt zu – Urteil bekräftigt Gesetz

Der Arbeitgeber führte vor dem Arbeitsgericht Erfurt neben des angeblichen Verhandlungsgeschickes des männlichen Arbeitnehmers als Grund für den eklatanten Gehaltsunterschied zudem an, dass dieser in der Zukunft zudem für eine Führungsposition vorgesehen gewesen sei. Er berief sich auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit. Vor dem Arbeits- und Landesarbeitsgericht in Sachsen hatte er damit zuvor Erfolg.

Im Februar 2023 – gerade noch vor dem Equal Pay Day am 7. März also – gab nun die höhere Instanz, das Bundesarbeitsgericht, jedoch der Klägerin Recht. Arbeitgeber dürfen Verdienstunterschiede von Frauen und Männern demnach nicht mit deren unterschiedlichem Verhandlungsgeschick begründen. Der Dresdnerin wurde eine Gehaltsnachzahlung von 14.500 Euro und eine Entschädigung von 2.000 Euro zugesprochen. Ihr Arbeitgeber habe „die Klägerin aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt“, sagte die Vorsitzende Richterin Anja Schlewing zur Begründung.

Pay Gap: Die Höhe des Gehalts von Frauen darf nicht vom Verhandlungsgeschick abhängen

Wenn Frauen und Männer wie im verhandelten Fall bei gleicher Arbeit unterschiedlich bezahlt werden, lege das die Vermutung der Benachteiligung aufgrund des Geschlechts nahe. Diese Vermutung könnten Arbeitgeber auch nicht mit dem Argument widerlegen, der Mann habe besser verhandelt oder er sei perspektivisch für einen Leitungsjob vorgesehen, so Schlewing. Die Bundesrichter kippten damit Urteile der Vorinstanzen in Sachsen in großen Teilen. Und auch die Bundesregierung plant Schritte zur Überwindung der Pay Gap. Wenngleich nicht alle Unternehmen das Problem gleichermaßen erkennen.

Auch für weitere Frauen könnte das Erfurter Urteil (Az: 8 AZR 450/21) nun den Weg zu fairen Gehaltszahlungen bahnen. Der Prozess dauerte mehrere Jahre an und nur wenige Frauen in ähnlichen Situationen nehmen diesen langwierigen Weg in Kauf. Obwohl das Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts und damit auch Equal Pay durch das Gleichbehandlungsgesetz, das Entgelttransparenzgesetz und das Grundgesetz geregelt sind. Der Fall liefert ein Beispiel für deren Anwendung in der realen Berufswelt: „Nun ist klar, Verhandlungsgeschick kann nicht den Ausschlag für Verdienstunterschiede geben“, sagte Sarah Lincoln von der Gesellschaft für Freiheitsrechte. „Die Entscheidung hat eine riesige Praxisrelevanz.“

Pay Gap: Das Gesetz allein ist „zu schwach“ – Urteil von Erfurt lässt Praxis hoffen

Laut Statistischem Bundesamt erhielten Frauen 2022 durchschnittlich einen Bruttostundenverdienst von 20,05 Euro – Männer von 24,36 Euro. Nur einen Teil der Lohnlücke erklärte das Statistikamt mit höheren Teilzeitquoten und geringeren Gehältern in „frauentypischen“ Berufen. Denn, auch wenn diese unterschiedlichen Voraussetzungen herausgerechnet werden, bleibt eine Differenz. Das zeigt, dass die Gesetze allein nicht reichen.

„Die Hürden für Gehaltsauskünfte sind zu hoch, und es sind keine Sanktionen vorgesehen“, sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Der Benachteiligung von Frauen in Deutschland sind noch immer Tür und Tor geöffnet.“

Ähnlich sieht es Lincoln: „Das Gesetz ist zu schwach, um Frauen zu schützen.“ Nach dem Transparenzgesetz bestünden Auskunftsrechte zum Gehalt nur in Unternehmen ab 200 Beschäftigten. Sie hoffe auf eine neue Richtlinie der EU, die voraussichtlich im Sommer komme, und mehr Transparenz bei der Bezahlung von Frauen schaffen könnte. (na/dpa)

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