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Ohne Profit

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Der US-General McClure übergibt am 31. Juli 1945 die Lizenz zur Herausgabe der FR (von links nach rechts): Arno Rudert, Paul Rodemann, Wilhelm Knothe, Otto Grossmann, Wilhelm Karl Gerst, Hanz Etzkorn und Emil Carlebach.
Der US-General McClure übergibt am 31. Juli 1945 die Lizenz zur Herausgabe der FR (von links nach rechts): Arno Rudert, Paul Rodemann, Wilhelm Knothe, Otto Grossmann, Wilhelm Karl Gerst, Hanz Etzkorn und Emil Carlebach. © FR

Karl Grobe analysiert Zeitungspolitik und Lizenzvergabe der Besatzungsmächte nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Die US-Militärregierung entschied damals: Die FR muss im Privatbesitz sein und darf nicht einer gemeinnützigen Stiftung gehören. Und doch kam es später genau so.

Am Anfang stand im Juli 1945 ein Wunsch, der unerfüllbar war. "Die Herausgeber der Frankfurter Rundschau hatten beschlossen, für ihren Zeitungsbetrieb die Form einer gemeinnützigen Stiftung zu wählen. Sie wollten nicht persönlich Inhaber dieses großen Unternehmens sein, das mit 500 000 Abonnenten ins Leben trat". So erinnerte sich später einer der sieben ersten Lizenzträger, Wilhelm Karl Gerst. Das ließen die alliierten Presseoffiziere nicht zu. Inmitten eines kapitalistischen Ozeans könne man unmöglich eine kommunistische Zeitungsinsel errichten. Die Lizenzträger wurden Inhaber; und doch ist schließlich eine gemeinnützige Stiftung daraus geworden.

Gerst war ein "Bürgerlicher", ein weit links stehender Katholik. Gemeinsam mit ihm erhielten sechs weitere Personen die Lizenz, die FR herauszugeben und zu redigieren: die Sozialdemokraten Hans Etzkorn, Wilhelm Knothe und Paul Rodemann sowie die Kommunisten Emil Carlebach, Otto Großmann und Arno Rudert. Die Aufgabe, die ihnen zugemessen war, hat Oberst Sheehan im Namen der US-Militärregierung etwas später so umrissen: Die neue deutsche Presse "musste als Kristallisationspunkt dienen, um den sich die fortschrittlichen und demokratischen Elemente sammeln konnten. Ihre Funktion sollte sich jedoch nicht darauf beschränken, einer bereits gebildeten Meinung Ausdruck zu verleihen, sondern sie sollte gleichzeitig aktiv die öffentliche Meinung formen". Dabei sollten "eine unvoreingenommene Presse und die sich daraus ergebende Aufklärung über die nazistische Vorgängerin die Hauptfaktoren darstellen".

Kommunisten unerwünscht

Politisch unbelastet und fachlich geeignet sollten die neuen Verantwortlichen sein, und die FR, die am 1. August 1945 als erste Lizenzzeitung in der US-Besatzungszone erschien, war das erste Modell dafür. Es zeigte sich bald, dass es tauglich war, solange die Siegermächte noch einig schienen; da konnte der für die Presse in Frankfurt zuständige US-Offizier Cedric Belfrage, ein weltgewandter britischer Kommunist, seine Genossen im Namen des Antifaschismus noch fördern. Ihnen den Job zu erhalten war ihm nicht mehr möglich, als der Kalte Krieg Gestalt annahm. Die Kommunisten mussten gehen, Großmann zuerst, dann im September 1947 Carlebach, der seinen politischen Spielraum offensichtlich über die Grenzen des von der Militärverwaltung tolerierten Rahmens auszudehnen versucht hatte. Rudert wiederum zog sich den Partei-Vorwurf zu, die Zeitung als Journalist und nicht als Kommunist geführt zu haben, und trennte sich von der KPD.

Die drei Sozialdemokraten und Gerst waren bis Ende 1946 ausgeschieden; an Ruderts (und zunächst noch Gersts und Carlebachs) Seite trat Karl Gerold. Er übernahm nach Ruderts Tod 1954 die Hälfte seiner Anteile und brachte die 75 Prozent, die er damit hielt, 1973 in die nach ihm benannte Stiftung ein. Ruderts Witwe steuerte bald darauf ihre 25 Prozent bei; und nun war doch die gemeinnützige Stiftung daraus geworden, die sich die Siebener-Riege von 1945 gewünscht hatte. Freilich keine "kommunistische Insel im kapitalistischen Ozean", sondern ein sozial-liberales Institut, dessen geistigen Hintergrund Roderich Reifenrath in dieser Ausgabe ausführlich darstellt.

Die Frankfurter Rundschau war nicht die erste Nachkriegs-Zeitung in Deutschland. Als sie am 1. August 1945 erstmals erschien, gab es in der britischen Besatzungszone schon die Aachener Nachrichten (seit 24. Januar) und im sowjetischen Sektor des noch ungeteilten Berlin nicht weniger als fünf Zeitungen. Die FR ist aber die erste Zeitung nach dem US-Modell einer Gruppenzeitung und erschien bald auch ohne vorherige Zensur durch die Militärverwaltung.

Das "Office of Military Government, United States" schloss mit der Lizenzierung den Drei-Stufen-Plan für die Informationspolitik ab, auf den sich USA und Großbritannien im Oktober 1944 geeinigt hatten. Erste Stufe: Schließung aller Zeitungsbetriebe und der Rundfunksender sofort nach der Besetzung der jeweiligen Orte. Zweite Stufe: Herausgabe von Militärzeitungen in deutscher Sprache. Die wurden von einer Zentralredaktion der 12. US-Armeegruppe unter Hans Habe von Bad Nauheim aus mit streng sortierten Nachrichten versorgt; es gab insgesamt zwölf, darunter die Frankfurter Presse (21. April - 27. Juli 1945). Dritte Stufe: Herausgabe von deutschen Zeitungen unter Besatzungskontrolle.

Auf dieser Stufe trennten sich die Wege. Die US-Militärverwaltung wollte keine Parteizeitungen, sondern setzte auf die zitierte antifaschistische und demokratische Einheit. So ließ sie bald nach der FR als zweites Blatt in ihrer Zone, wieder unter Federführung Cedric Belfrages, die Rhein-Neckar-Zeitung erscheinen, und zwar mit dem Dreier-Kollegium Theodor Heuss (Liberale), Hermann Knorr (SPD) und Rudolf Agricola (KPD). Agricola wurde die Lizenz im November 1947 entzogen, nachdem er einen Ruf an die Martin-Luther-Universität in Halle angenommen hatte; er war der letzte Lizenziat mit KPD-Parteibuch in der US-Zone.

Gruppenzeitungen nach dem Frankfurter und Heidelberger Modell erschienen bis Ende 1949, als der Lizenzzwang aufgehoben wurde, in allen größeren Städten der US-Zone, manche davon schon Zweitzeitungen wie die Frankfurter Neue Presse. Sie waren auf einen regionalen Markt zugeschnitten und sind dies - sofern sie noch bestehen - fast alle auch geblieben, mit den Ausnahmen der FR und der Süddeutschen Zeitung in München. Eigene Zeitungen brachte die US-Militärregierung gleichzeitig heraus: die Allgemeine Zeitung (bis November 1945) in Berlin und die Neue Zeitung unter Hans Habe und Hans Wallenberg bis 1955 in München.

Briten verkaufen an Springer

Die britische Besatzungsmacht ging einen anderen Weg. In den Großstädten setzte sie auf so genannte Parteirichtungszeitungen. Sie sollten den Standpunkt der jeweiligen Partei vertreten, aber organisatorisch unabhängig bleiben; als Lizenzträger kamen Personen in Frage, die einer Partei angehörten oder ihr nahe standen - aber als Einzelpersonen und nicht als Funktionäre. Die SPD, die in der Weimarer Republik über hundert Zeitungen besessen hatte, kam so wieder in den Besitz eines Teils ihres früheren Eigentums, ebenso (mit Maßen) die KPD; die neu gegründete CDU fing neu an. Als ihr eigenes Organ brachten die Briten in Hamburg und Essen Die Welt heraus, die 1953 vom Springer-Konzern erworben wurde.

Die sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) setzte auf eine Art von Kontrolle, die nicht auf den ersten Blick erkennbar war, was sich mit dem Wort Walter Ulbrichts so beschreiben lässt: "Es muss alles demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben". Den in der sowjetischen Besatzungszone rasch erlaubten Parteien wurden Zentralorgane zugestanden (und der SMAD-Vorzensur unterstellt), so die Deutsche Volkszeitung (KPD) und Das Volk (SPD), ab 1946, nach der Zwangsverschmelzung beider Parteien, zusammengelegt als Neues Deutschland. Dessen Berliner Ausgabe führte den Titel der SPD-Traditionszeitung Vorwärts, so dass die West-Sozialdemokraten, als sie in Hannover ihr Blatt wieder aufleben ließen, ihm zunächst den Namen Neuer Vorwärts gaben.

Das Berliner Zentralorgan-System, zu dem auch die Zeitungen der Ost-CDU, der LDPD und später der NDPD gehörten, wurde auf die Länder und Bezirke übertragen. Doch nur die SED hatte überall ihre Presse und das nötige Papier; die anderen Parteien mussten sich bescheiden. Dass dann auch Gewerkschaften und andere Massenorganisationen Zentralorgane drucken durften, entsprach dem sowjetischen Modell. Es waren Zeitungen "neuen Typs", nicht vergleichbar mit denen im Westen.

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