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Karl-Gerold-Platz 1

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Karl Gerold, 1906 als Arbeiterkind im schwäbischen Giengen geboren, galt als sehr engagierter Zeitungsmacher. Stets respektlos, immer auch im Namen derer, die man die Benachteiligten nennt.
Karl Gerold, 1906 als Arbeiterkind im schwäbischen Giengen geboren, galt als sehr engagierter Zeitungsmacher. Stets respektlos, immer auch im Namen derer, die man die Benachteiligten nennt. © Weiner

Der Chefredakteur, Herausgeber und Mehrheitsgesellschafter prägte maßgeblich die FR. Von Matthias Arning

Von MATTHIAS ARNING

Der Peter hieß nicht Peter. Peter hieß Karl. In seinen Erinnerungen nennt Karl Retzlaw - in den 1920er Jahren Funktionär der KPD und später energischer Kritiker des sowjetischen Diktators Stalin, seinen Mitstreiter Karl Gerold bei dessen Decknamen in der Emigration: Peter. "Der Metallarbeiter Peter", schreibt Retzlaw, der wie Gerold vor den Nationalsozialisten in die Schweiz floh, sei "tapfer und kompromisslos" gewesen. Das kann man als Kompliment nehmen. Denn wenn einer wie Retzlaw, der um die Härte politischer Auseinandersetzungen wusste, seinem Freund bescheinigt, er habe schwierige Aufgaben erledigen können, kann man gewiss sein: Er meint es als Kompliment.

Karl Gerold, 1906 als Arbeiterkind im schwäbischen Giengen geboren, wurde schon in jungen Jahren Sozialist. Bereits im Frühjahr 1933 war er mehrmals für einige Tage verhaftet worden, im Sommer musste er Pass und Grenzpapiere abgeben. Gerold floh in die Schweiz, die ihn als politischen Flüchtling anerkannte. Das brachte ihm eine Aufenthalts-, aber keine Arbeitsgenehmigung. Hin und wieder schrieb er für die Baseler Blätter und veröffentlichte Gedichte und einen Arbeiterroman.

Nach dem Krieg prägte Gerold als Chefredakteur die Frankfurter Rundschau und begleitete so die Anfangsjahre der jungen Bundesrepublik: Stets respektlos, immer auch im Namen derer, die man die Benachteiligten nennt.

1945 suchten die Alliierten Menschen, die sich während des Nationalsozialismus nichts hatten zuschulden kommen lassen. Drei Sozialdemokraten, drei Kommunisten und ein Linkskatholik erhielten von den US-Amerikanern am 1. August 1945 die Lizenz, die Frankfurter Rundschau herausgeben zu dürfen - die erste Zeitung im amerikanischen Sektor. Karl Gerold war noch nicht dabei. Erst 1946 bekam er eine Lizenz an der Zeitung. Im August 1947 waren er und Arno Rudert dann als einzige Lizenzträger übrig.

1949 verließ Gerold die SPD, von seinem auch volkspädagogisch gemeinten Auftrag aber ließ er nicht ab. Schließlich wusste er nur zu gut, warum unter den antifaschistischen Kräften die Losung galt: "Nie wieder." Gerold zeigte Haltung - und zwar immer. Über diesen Mann erzählt man sich bis heute Geschichten in der Zeitung. Geschichten von einem Patriarchen, der seine Redaktion autoritär und streng führte. Trotzdem verband sich sein Stil mit einem eigentümlichen "Laissez faire", das den antiautoritären Impuls zu locken wusste.

Karl Gerold leitete die Frankfurter Rundschau in den Anfangsjahren gemeinsam mit Arno Rudert, der seinen kommunistischen Genossen 1947 den Rücken gekehrt hatte. Nach dem Tod Arno Ruderts 1954 und bis 1973 war Gerold Mehrheitsgesellschafter des Druck- und Verlagshauses, in dem die Zeitung bis heute gedruckt wird. Gleichzeitig agierte er als alleiniger Herausgeber und Chefredakteur.

FR-Mitarbeiter, die diese Zeit miterlebt haben, erinnern sich gut an Gerolds Jahre als "heilige Dreifaltigkeit". Eine Rolle, die er mitunter als schwierig empfunden haben mag, wenn der Chefredakteur Gerold mit dem Verleger Gerold in Widerspruch geriet. Eine Rolle aber auch, die er wohl genossen hat. Jedenfalls gab "die heilige Dreifaltigkeit" politische Orientierung: Die Rundschau sollte "sozial-liberal, links-liberal" sein. Das blieb sein Vermächtnis.

36 Jahre nach seinem Tod erweist Frankfurt Karl Gerold nun die Ehre. Die Stadt gibt dem Platz vor dem Depot in Sachsenhausen, in dem die Zeitung seit einer Woche produziert wird, einen Namen: Karl-Gerold-Platz.

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