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Einsam in Corona-Zeiten: Tiere im Frankfurter Zoo vermissen die Besucher

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Von: Thomas Stillbauer

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Kuratorin Sabrina Linn darf noch in den Zoo - wir nicht.
Kuratorin Sabrina Linn darf noch in den Zoo - wir nicht. © Zoo Frankfurt

Nichts zu sehen weit und breit: Während Menschen in Corona-Zeiten auf Netflix und Co. umsteigen können, fehlt den Affen im Frankfurter Zoo ihr tägliches Unterhaltungsprogramm.

Frankfurt - Kuratorin Sabrina Linn geht am Robbenfelsen vorbei, die Pinguine schauen ihr hinterher, Sonnenstrahlen hüpfen übers Wasser, drüben am Dickhäuterhaus spielen Nashorn Kalusho und Flusspferd Petra gerade eine Partie Schach … nein, Schluss damit. Das hier ist eine Geschichte aus dem Zoo, aber keine Reportage. Es darf niemand hinein zurzeit, also auch nicht die Frankfurter Rundschau, und deshalb könnte sich das zwar alles so zugetragen haben wie beschrieben, muss aber nicht.

Leere Zoos in der Corona-Krise: Affen vermissen die Besucher 

Na gut – fast alles. Dass Kuratorin Sabrina Linn regelmäßig den Weg am Robbenfelsen vorbei zum Borgori-Wald geht, zur Menschenaffenanlage, das ist jedenfalls die Wahrheit. „Als ich zu Beginn der besucherlosen Zeit reinkam, saßen alle Gorillas an der Scheibe, jedes einzelne Tier wollte Kontakt zu mir aufnehmen“, schildert sie. Eine Situation, die es sonst nie gibt, wenn Leute da sind.

„Es ist Teil des Programms für die Menschenaffen, dass sie beobachtet werden, aber auch selbst beobachten“, sagt Linn. Wenn das wegfällt, wenn die Besucher länger ausbleiben, bemerken es die Tiere, und zwar beinahe alle Zootiere, doch die Menschenaffen bemerken es als erste. „Gerade Viatu, der Silberrücken, war am Anfang sehr verunsichert“, beschreibt die Kuratorin. „Er wollte nur widerwillig von einem Teil der Anlage in den anderen.“ Eine Übung, die sonst Routine ist, wenn die Tierpfleger saubermachen oder Futter auslegen.

Für die Bonobos ist Zoo ohne Besucher wie Ostereier ohne Farbe.
Für die Bonobos ist Zoo ohne Besucher wie Ostereier ohne Farbe. © Zoo Frankfurt

Drüben im Grzimek-Haus, wo die Kleinsäuger und die Nachtaktiven wohnen, macht Revierleiterin Astrid Parys um 7.30 Uhr Frühstück für 43 Tierarten in 44 Schaugehegen und schaut nach, ob es allen gutgeht. Und, wie geht’s allen? „Sie merken den Unterschied“ sagt Parys. Auch hier: vor allem die Affen. Schlankloris, Buschbabys, Löwenäffchen. „Die gucken normalerweise die Besucher an, und die vermissen sie jetzt.“ Man überlegt sich das ja oft: Interessieren die sich auch für mich, die Tiere, so wie ich mich für sie interessiere? „Die Affen gucken jedenfalls ganz genau“, sagt Astrid Parys. „Ich frage immer: Wer guckt hier eigentlich wen an?“

Die scheuen Schliefer liegen jetzt näher an der Scheibe, haben die Tierpfleger festgestellt. Sie nutzen den Platz. Die Komodowarane, die auch gern gucken, wer da guckt, lassen sich aber nichts anmerken. „Wir beschäftigen die Tiere jetzt mehr“, sagt die Revierleiterin. Mehr Ansprache, mehr Kartons mit versteckten Insekten, so was.

Kein Zoo-Besuch in der Corona-Krise: Tierbabys ohne Publikum

„Es ist so schön hier!“ Zoosprecherin Christine Kurrle bricht es beinahe das Herz, dass jetzt niemand im Zoo sein kann. Ostern vor allem! Normalerweise wäre die Hölle los gewesen, aber jetzt: nichts, niemand. Außer denen, die dort wohnen oder arbeiten. Die Bewohner sind übrigens mehr geworden. Grausam genug, es zu erwähnen, aber: Es gibt einen neugeborenen Tamandua. Und ein kleines Alpaka. Ein kleines Erdferkel! Und elf (11!) kleine Zwergziegen im Streichelzoo. Und wir können sie nicht sehen.

Die Zoobelegschaft arbeitet in zwei streng voneinander getrennten Teams. „Da darf nichts schiefgehen, wenn sich jemand ansteckt“, sagt Kurrle. Sollten alle gleichzeitig in Quarantäne müssen, wäre das eine Katastrophe für die Verpflegung der annähernd 5000 Tiere. Und wenn ein Tier mit Corona infiziert ist? Äußerst selten, aber in New York wurde ein Tiger positiv getestet, weitere Großkatzen zeigten Symptome. „Unsere Tiere werden nicht getestet“, sagt die Sprecherin. „Das wäre sehr aufwendig, und es müsste auch behördlich angeordnet werden.“ Schwer vorstellbar, dass etwa Tiger Vanni oder Löwin Zarina einem Nasenabstrich mit einem Wattestab zustimmt. Und ein Tier in Vollnarkose legen, um es auf Corona zu testen? Nicht angemessen, sagt Christine Kurrle.

Trampeltiere allein zu Haus. Da legst di nieder.
Trampeltiere allein zu Haus. Da legst di nieder. © Zoo Frankfurt

Zoo in der Corona-Krise: Peta fordert strenge Hygienemaßnahmen

Die Tierrechtsorganisation Peta forderte den Zoo zu strengen Hygienemaßnahmen für die Menschenaffen auf, weil das Coronavirus auch für sie schlimme Folgen haben könne. „Vielleicht gibt es ein Infektionsrisiko“, sagt Kuratorin Linn, „aber präzise weiß man es nicht.“ Die Pfleger täten jedenfalls alles, um die Gefahr zu minimieren. „Den Tieren geht’s gut“, sagt sie, auch wenn die Situation ungewohnt sei. Viele lebten in sozialen Gruppen, in denen sie sich auch gut selbst miteinander beschäftigen könnten.

Es gebe keinen Engpass bei der Futterversorgung, heißt es aus der Pressestelle, auch wenn die Einnahmen ausblieben. Spart der Zoo womöglich Strom oder Wasser, weil keine Besucher kommen? Nein, sagt Werkstättenleiter Bernd Schmitt: Die Wassermenge, die durch die Toiletten rausche, sei im Vergleich zum Gesamtverbrauch nicht relevant.

Keine Zoo-Besucher während der Corona-Pandemie - Auch Pfleger vermissen das Publikum

Und was ist mit den Menschen, wie geht es ihnen? „Ich mag Besucher total gern“, sagt Astrid Parys und lacht. „Zoo ohne Besucher ist nicht schön.“ Auf Dauer eine absurde Vorstellung: Tausende Tiere in Gehegen, und keiner schaut sie an. Parys geht bei der Fledermausfütterung gern einmal raus und erklärt den Kindern, warum die Flatterfreunde Obst bekommen und keine Insekten (weil im Zoo eben eine Obst fressende Art lebt, im Unterschied zu den einheimischen Fledermäusen, die Mücken jagen). Dieser „Keeper’s Talk“ (englisch für Tierpflegergespräch) fällt nun weg, was Parys schade findet. „Wir sind ja nicht nur für die Tiere da, sondern auch für die Tierfreunde.“ Viele freuten sich, wenn sie Zoopersonal aus den Fernsehdokus „in echt“ träfen.

Leere Zoos: Tiere langweilen sich in der Corona-Krise

Aber ein paar kleine Vorteile hat die Auszeit ohne Publikum auch. „Wir müssen im Moment nicht so ganz pingelig auf die Optik achten.“ Wenn die Revierleiterin in ihre 44 Schaugehege geht, um den Tieren Futter zu bringen, muss sie normalerweise 44-mal hinterher ihre Fußspuren verwischen. Jetzt stören die Spuren niemanden. „Und ich muss nicht jede Tür absperren.“

Abgesehen von den Gehegetüren, versteht sich. Die bleiben zu. Kein Ausgang für die Tiere? Ausnahmsweise? Nein. Die Tiere wollten sowieso nicht raus, erklärt Astrid Parys. „Die Leute fragen oft, ob nicht die Gefahr groß ist, dass die wegrennen. Aber die Tiere würden nie einfach irgendwo hinspringen, wenn sie gar nicht wissen, was da ist.“ Mit Elvis, dem weltberühmten Erdferkel, war das etwas anderes. Elvis fühlte sich damals wohl unterfordert und wollte gern in der Küche helfen. Also durfte er hinter den Kulissen herumlaufen und wurde Fernsehstar. Seit Elvis nicht mehr lebt, gibt es solche Extratouren aber für kein anderes Tier mehr.

Trotz Besuchsverbot: Zoo-Fans spenden in der Corona-Krise

Immerhin: Weil es warm ist, können viele Tiere hinauslaufen in ihre Außenanlagen. Das hilft auch gegen Langeweile, wenn keine Leute zur Unterhaltung da sind. Fragt sich nur, wie lang der Zoo ohne die Einnahmen durchhalten kann. Das Problem trifft den städtischen Frankfurter Tierpark prinzipiell nicht so hart wie den privatfinanzierten Opel-Zoo in Kronberg. Aber er kann auch auf die Treue seiner Besucher bauen. „Die Spendenbereitschaft ist enorm“, sagt Sprecherin Christine Kurrle, „sowohl was die Anfragen für Patenschaften betrifft, als auch den Verkauf von Eintrittskarten für später.“

Und wenn jemand eine Tierpatenschaft abschließen möchte, was böte sich da zurzeit an? „Das kleine Alpaka hat noch keine Paten“, sagt Kurrles Kollegin Caroline Liefke. Wobei die Patenschaften natürlich nicht für spezielle Individuen abgeschlossen werden, sondern beispielsweise für „ein Alpaka“ (350 Euro). Wer nicht ganz so viel Geld übrig hat: Für eine kleine Zwergziege werden nur 25 Euro im Jahr fällig. Und die sind schließlich auch süß.

Notschlachtung wegen Corona-Krise für Zoo Frankfurt keine Option

Eine Notschlachtung der Tiere kommt derweil für den Zoo Frankfurt nicht in Frage. Der Tierpark Neumünster in Schleswig-Holstein hatte mit einem derartigen Gedankenspiel für Aufsehen gesorgt.

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