Opernplatz Frankfurt: Die Leere nach den Krawallen

Auf dem Frankfurter Opernplatz bleibt alles friedlich , doch die Stimmung ist weiter angespannt. Aktivisten protestieren gegen Racial Profiling - und lassen OB Feldmann ihren Unmut spüren.
Es ist 0.17 Uhr am Sonntag, als Peter Feldmann auf dem Frankfurter Opernplatz zum Mikrofon greift. Frankfurts Oberbürgermeister hat extra seinen Urlaub abgebrochen, um sich eine Woche nach den Krawallen selbst ein Bild von der Lage zu machen. Das Mikrofon hat ihm Amira überreicht, die am Samstag einen Demonstrationszug zum Opernplatz angemeldet hatte, um gegen Racial Profiling und „NSU 2.0“ zu protestieren.
Feldmann bedankt sich bei den jungen Menschen für deren Engagement, doch sein „Black lives matter“ was er danach anstimmt, wird zum Rohrkrepierer. Niemand der etwa 100 Demonstranten, die ihn umringen, stimmt mit ein. Den zweiten Dämpfer erhält das Frankfurter Stadtoberhaupt kurz darauf, als er zu dem Vorwurf des Racial Profiling Stellung nehmen soll. Aktivistin Amira nimmt ihm kurzerhand das Mikrofon ab. „Sie labern uns hier nicht voll, von wegen bunte Stadt, ich möchte, dass Se heute Nacht politisch etwas verändern.“ Das kann Feldmann nicht, doch in einer Pressemitteilung der Stadt am Sonntagmittag verspricht er, „die Anliegen und den Unmut auch in künftigen Gesprächen mit der Landesregierung zu thematisieren“.
Der Opernplatz in Frankfurt war erst ein beschauliches Örtchen, dann ein Hotspot der coronageplagten Partyszene, dann eine Müllhalde, dann ein Schauplatz von Krawallen. Am vergangenen Wochenende ist er vor allem eine politische Bühne.

Menschen, die sich ungezwungen zum Trinken und Tratschen treffen wollen, sind kaum gekommen. „Zehn Prozent von dem, was sonst da ist“, schätzt eine Besucherin, die schon in den Wochen zuvor auf dem Opernplatz war.
Stattdessen wimmelt es vor allem am Freitagabend vor Journalisten und Polizisten, die schon weit vor Mitternacht viele Personen kontrollieren. Umstehende werfen der Polizei vor, fast überwiegend junge Menschen mit augenscheinlichem Migrationshintergrund zu kontrollieren. Immer wieder kommt es zu spontanen Sprechchören, in denen dieses sogenannte Racial Profiling kritisiert wird. Die Lage ist übersichtlich, aber die Stimmung gespannt.
Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU) gibt am Eingang zur U-Bahn-Station ein Fernsehinterview, das von Sprechchören gestört wird. Als Frank etwas erwidert, versuchen Demonstranten ihn zu schlagen. Einer Augenzeugin zufolge soll Frank zuvor „Bockmist“ gesagt haben. In der Folge wird der Ordnungsdezernent von Stadtpolizisten abgeschirmt, die ebenfalls zahlreich erschienen sind.
Viel zu tun haben sie ansonsten nicht. Der Leiter der Stadtpolizei, Matthias Heinrich, erkundigt sich gegen 23.30 Uhr telefonisch, wie die Lage an anderen Hotspots aussehe. „Auf dem Friedberger Platz sind etwa 150 Menschen, die nicht unbedingt gehen wollen, da werden wir jetzt von der Polizei unterstützt“, sagt Heinrich. Auf dem Matthias-Beltz-Platz seien 100 Menschen, auf dem Luisenplatz gar 400 (siehe auch nebenstehenden Bericht).

Auf dem Opernplatz sind nur wenige Menschen, die zum Trinken gekommen sind. Zwei angetrunkene Halbstarke aus Bad Vilbel stehen herum und trinken Alcopops aus der Dose. „Vergangene Woche war es amüsanter“, grinst der kräftigere von beiden und macht keinen Hehl daraus, dass er die Krawalle gut fand. Nach Mitternacht wird er sich eine schwarze Maske überziehen, um etwas gefährlicher auszusehen, und orientierungslos über den Platz laufen.
Kurz vor Mitternacht fahren die Stadtreiniger mit ihren blinkenden Autos vor, um es etwas ungemütlicher zu machen. Platz zum Saubermachen haben sie genug. Auch das Technische Hilfswerk trägt kurz darauf zur Ungemütlichkeit bei und taucht den Platz in gleißend helles Licht. Aus einem Lautsprecherwagen tönt die Verordnung, aufgrund derer der Platz bis ein Uhr zu räumen ist. Probleme, den Platz rechtzeitig leer zu bekommen, hat die Polizei nicht. Am meisten Arbeit haben die Beamten, die an der Neuen Mainzer Straße postiert sind und den aus der Innenstadt kommenden Menschen erklären müssen, warum sie den Opernplatz nicht überqueren dürfen, um ins Westend zu gelangen. Zwei junge Männer wollen mit E-Rollern auf den Opernplatz, was nicht nur nach ein Uhr, sondern auch zu jeder sonstigen Zeit verboten ist.
Am Samstagabend ist ähnlich wenig los. Etwas weniger Journalisten und Politiker, dafür mehr Demonstranten. Schon Anfang vergangener Woche hatte ein breites Bündnis antirassistischer Initiativen der Frankfurter Polizei eine „systemische Hetze gegen MigrantInnen“ vorgeworfen. Polizeipräsident Gerhard Bereswill versuche, von den Problemen innerhalb der Polizei abzulenken. Das Bündnis aus sechs Gruppierungen forderte, Racial Profiling zu stoppen, was am Wochenende offenbar nicht geklappt hat. Die Polizei vermeldete am Sonntag nüchtern, es seien im gesamten Stadtgebiet knapp 2000 Personen kontrolliert und dabei 375 Platzverweise ausgesprochen worden. 23 Personen wurden vorübergehend festgenommen. Die Stadt vermeldete: „Lage am Opernplatz ist im Griff.“ Nur ein Ort zum ungestörten Feiern ist der Opernplatz jetzt nicht mehr.
Damit sich Situationen wie auf dem Opernplatz nicht wiederholen, hat die Stadt ein Konzept für Partyzonen in Corona-Zeiten in Frankfurt entwickelt.