Alle Kulturschaffenden machen sich große Sorgen. Die aktuelle Situation bedeutet für alle größeren Kultureinrichtungen ebenso wie für die freie Szene einen Rückschlag mit noch kaum absehbaren Folgen. Deshalb müssen wir als Politik jetzt schnell helfen.
Wie stellt sich die Lage dar?
Der Stillstand unseres schönen, vielfältigen Kulturlebens im öffentlichen Raum und damit der Wegfall von Eintritten und Ticketkäufen trifft die Kulturinstitutionen extrem hart. Hinzu kommt, dass auch die Gastronomiebetriebe der Museen, die oft keine nennenswerten Rücklagen haben bilden können, zurzeit geschlossen sind. Einzelakteure sind oft nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt, sondern projektbezogen engagiert und von kurzfristigem Einkommensverlust bedroht. Auch den sozialversicherten Beschäftigten drohen betriebsbedingte Kündigungen. Erschwert wird die Situation durch die Ungewissheit, wann der Publikumsbetrieb wieder aufgenommen werden kann.
Wie kann der Kulturszene spontan und unbürokratisch geholfen werden?
Ich habe, als sich die Schließungen abzeichneten, sofort angekündigt, dass wir alle städtisch zugesagten Förderungen auch dann vollständig auszahlen, wenn Veranstaltungen aufgrund der aktuellen Krise abgesagt werden müssen. Wo erforderlich, stunden wir auch Mieten, etwa für Pächter der Museumsgastronomie. Allerdings werden auch diese Maßnahmen den Einnahmeausfall vieler Betriebe nicht decken können. Ich habe deshalb zusätzlich angeregt, dass es städtischerseits einen Notfalltopf gibt, aus denen existenzgefährdete Kultureinrichtungen gefördert werden können.
Wann kommt voraussichtlich der Notfalltopf, den Sie vorgeschlagen haben?
Solange es keine Entscheidung des Gesamtmagistrats für einen zusätzlichen Hilfsfonds für die Kultur gibt, werde ich durch kurzfristige Umschichtungen in meinem Etat einen Notfalltopf von zunächst 200 000 Euro einrichten. Er hilft denjenigen im Kulturbereich, die bei den Maßnahmen von Bund und Land möglicherweise durchs Raster fallen. Antragsberechtigt sind Einzelkünstler und Künstlerinnen, Künstlergruppen und Kollektive der unterschiedlichen künstlerischen Genres aus Frankfurt. Formlose Anträge können ab sofort per Brief an das Kulturamt gerichtet werden sowie per Mail an kulturfoerderung@stadt-frankfurt.de. Die Förderung ist zwischen 500 Euro und höchstens 5000 Euro gestaffelt und wird zunächst als rückzahlbare Zuwendung gewährt. In Einzelfällen kann diese später in eine nicht rückzahlbare Zuwendung geändert werden. Denn nicht alle werden in der Lage sein, diese Hilfen zurück zu zahlen.
Welche Möglichkeiten bieten Bund und Land – unabhängig von den Hilfen der Stadt?
Ich bin sehr froh, dass Bund und Land die Appelle der Kommunen gehört haben; die Kultur darf bei den notwendigen Maßnahmen für Wirtschaft und Soziales nicht auf der Strecke bleiben. Kultur ist ein unverzichtbares Lebensmittel unserer Gesellschaft und trägt zum Lebensgefühl und damit zum gesellschaftlichen Zusammenhalt enorm bei. Im Bundestag ist in Rekordgeschwindigkeit ein riesiger Rettungsschirm von 50 Milliarden allein für die Selbstständigen und Solo-Selbstständigen eingerichtet worden. Die freischaffenden Künstler sind meistens die schwächsten Glieder in der Kette. Genau sie sollen durch Bundes- und Landesmittel aufgefangen werden in dieser schweren Krise.
Wie kommen die Künstlerinnen und Künstler an die Mittel?
Ich bin dankbar und erfreut, dass das Land Hessen die Mittel in Kooperation mit dem Bund zusätzlich aufstockt. Die Auszahlung wird gemeinsam durch die WI-Bank erfolgen. Wir haben auf unserer Website www.kultur- frankfurt.de/FoerderungCovid-19 eine Übersicht erstellt, dort finden Frankfurter Kulturschaffende alle kurzfristigen Fördermöglichkeiten mit Links und Infos auf einen Blick. Außerdem stehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kulturamtes beratend zur Seite und helfen, wo sie können.
Wann wird sich die Situation für die Kulturszene wieder verbessern?
Ich wünsche mir, dass wir nach den Osterferien, sofern die medizinische Lage das erlaubt, vorsichtig und in vernünftigen Schritten das Kulturleben langsam wieder hochfahren können.
Interview: Florian Leclerc