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Hessens Schulen: Weit weg vom Normalbetrieb

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Von: Pitt von Bebenburg

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Eigentlich sollten sich Politiker freuen, wenn Kinder in die Schule wollen. Derzeit hält sich die Begeisterung aber in Grenzen.
Eigentlich sollten sich Politiker freuen, wenn Kinder in die Schule wollen. Derzeit hält sich die Begeisterung aber in Grenzen. © Michael Schick

Hessens Kultusminister Lorz verteidigt die Einschränkungen an den Schulen, während Familien protestieren. Unmut über Lorz’ Behauptung, fast alle Kinder hätten ausreichend Endgeräte für das Homeschooling.

Im hessischen Landtag warb Kultusminister Alexander Lorz um Verständnis. „Wir bleiben noch weit von einem Normalbetrieb entfernt“, beschrieb der CDU-Politiker am Dienstag die Situation an den hessischen Schulen. Die Einschränkungen seien aber als „Teil des pandemischen Notfallmanagements“ erforderlich.

Wenige Hundert Meter entfernt, vor der Staatskanzlei von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), hielt die siebenjährige Emma aus Wiesbaden zur selben Zeit ein selbst gemaltes Schild in die Höhe. „Ich möchte jeden Tag in die Schule“, stand darauf, und zur Erklärung: „MO-FR“, also Montag bis Freitag.

Tatsächlich, so berichtete Emmas Mutter Katja Faderl der FR, habe die Erstklässlerin aber nur dienstags und donnerstags Schule, für jeweils drei Stunden. Emmas Lehrerin sei engagiert, lobte Faderl, daher müsse man „den Druck weiter oben ansetzen“. Diane Siegloch, eine der Demo-Organisatorinnen, rief unter Beifall: „Es ist höchste Zeit, in Kindern wieder mehr zu sehen als ein epidemiologisches Risiko.“ Die Oppositionsparteien SPD, FDP und Linke sehen die Schulpolitik der Landesregierung ähnlich kritisch wie die rund 100 Menschen vor der Staatskanzlei, die dem Aufruf der Bewegung „Familien in der Krise“ gefolgt waren. Ihre Fraktionsvorsitzenden Nancy Faeser, René Rock und Janine Wissler unterstützten die Familien mit Redebeiträgen.

Währenddessen trugen die Fachpolitiker der Opposition diese Position im Parlament vor. Die schwarz-grüne Landesregierung habe in Fragen der Beschulung und Betreuung von Kindern „so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann“, lautete das harsche Urteil des SPD-Bildungspolitikers Christoph Degen. Es treffe auch nicht zu, dass alle Mittelstufen wieder den Präsenzunterricht aufgenommen hätten. „Es gibt durchaus Schulen, die noch nicht dabei sind.“ Die Linken-Abgeordnete Elisabeth Kula berichtete, manche Schulen könnten Präsenzunterricht kaum stemmen. Andere böten nur Räume für Onlinearbeiten, die sonst von zu Hause erledigt worden seien. Die Schulpolitiker Armin Schwarz (CDU) und Frank Diefenbach (Grüne) verteidigten die Entscheidung der Landesregierung, nur einen eingeschränkten Schulbetrieb zuzulassen. Wer die vollständige Öffnung fordere, „der verkennt die pandemische Grundsituation, in der wir uns befinden“, warnte Diefenbach.

Anlass für die Debatte war eine geplante Änderung des Schulgesetzes. Es ist ein umfangreiches Paket, mit dem CDU und Grüne das Gesetz an die Corona-Situation anpassen wollen. Darin heißt es etwa mit Blick auf die Grundschulen, sie sollten „ent-sprechend der vorhandenen personellen und sächlichen Möglichkeiten so viel Präsenzunterricht wie möglich bereitstellen und eine Organisationsform für die Umsetzung wählen, die eine möglichst optimale Unterrichtsabdeckung gewährleistet“.

Keine Sitzenbleiber

Weiter wird geregelt, dass kein Kind zwangsweise sitzenbleiben soll. Nur wenn die Eltern es wünschen, sollen Kinder eine Klasse wiederholen. Ausgesetzt wird die im Gesetz festgelegte „verlässliche Schulzeit von mindestens fünf Zeitstunden am Vormittag“. Schulkonferenzen, Sitzungen von Elternbeiräten und anderen Gremien sollen in elektronischer Form abgehalten werden können.

Der AfD-Abgeordnete Heiko Scholz mutmaßte, dass einige der Änderungen auch nach der Corona-Krise blieben. CDU und Grüne wollten etwa „durch die Hintertür“ das Sitzenbleiben abschaffen.

Die gesamte Opposition forderte, das Land müsse deutlich mehr Mittel bereitstellen, um Schülerinnen und Schüler ebenso wie Lehrkräfte mit digitalen Geräten auszustatten. Auf Unmut stieß das Gegenargument des CDU-Abgeordneten Schwarz, der größte Teil von ihnen verfüge über eigene Geräte für das Homeschooling.

Schwarz bezog sich auf eine Studie der Telekom-Stiftung, wonach nur zwölf Prozent keine vollständige Geräteausstattung besitzen. Der SPD-Politiker Bijan Kaffenberger entgegnete, die Studie sei als Onlinebefragung entstanden. Das sei gerade „nicht das beste Mittel, um herauszufinden, welche Kinder kein Gerät und kein Internet haben“.

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