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Zu viel Druck

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Von: Thorsten Remsperger

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Raus mit Applaus in Bad Homburg: Angelique Kerber.
Raus mit Applaus in Bad Homburg: Angelique Kerber. © dpa

Angelique Kerber muss beim eigenen Tennisturnier in Bad Homburg die Segel streichen, was ihr fast ein bisschen peinlich ist.

Als die Überraschung perfekt war, staunte Platzsprecher Teo Jägersberg nicht schlecht. Mit seinem Mikrofon war er nach dem letzten Ballwechsel auf den Rasen des Centre Courts gelaufen, wie sich das für ein WTA-Turnier wie die Bad Homburg Open gehört. Die Zuschauenden – sowohl bei der Live-Übertragung vor dem TV-Gerät als auch auf der Anlage – wollen schließlich direkt die Siegerin hören. So ist das im Tennis auf der Profitour, business as usual, weltweit. Besondere Ereignisse erfordern jedoch besondere Maßnahmen.

Angelique Kerber war gerade nach einem 4:6, 6:2, 1:6 gegen die Französin Alizé Cornet ausgeschieden, verdientermaßen. Für die Veranstaltung ein herber Verlust, schließlich ist Kerber immer noch die beste deutsche Tennisspielerin. Sie hat zudem nach Serena (107) und Venus Williams (97) die meisten Spiele auf Rasen gewonnen, nämlich 82. Und sie ist gerade vor allem Botschafterin und Zugpferd für ihr Turnier.

Es hatte fast den Anschein, ihr Ausscheiden sei ihr aufgrund dieser Doppelfunktion peinlich gewesen. Deshalb bat sie spontan um das Platzmikrofon. „Ich sag‘ jetzt auch noch mal was“, befand Kerber, und auf dem ausverkauften Centre Court im Kurpark, wo sie die 3500 Fans in den 1:54 Stunden zuvor vergeblich versucht hatten, zu pushen, wurde es mucksmäuschenstill. „Im Sport ist es so, manchmal gewinnt man, manchmal verliert man. Heute war leider nicht mein Tag. Trotzdem möchte ich mich bei euch allen bedanken. Ich habe wirklich alles gegeben.“

Nachdem die Wimbledonsiegerin von 2018 sich im zweiten Satz in das Match zurückgekämpft hatte, verhieß ihre Körpersprache nach dem ersten Aufschlagverlust im entscheidenden Durchgang nichts Gutes. Mit hängenden Schultern lief die 34-Jährige zum Teil zwischen den Ballwechseln an der Grundlinie entlang. Als ob die Last des Gewinnen-Müssens bei „ihrem Heimspiel“, wie sie selbst sagte, zu groß geworden wäre.

Darauf angesprochen, sagte Kerber später in der Pressekonferenz, sie habe den Druck gespürt, „klar, es ist ein ganz anderes Gefühl, bei seinem eigenen Turnier zu spielen, wo man alles mitbesprochen und organisiert hat, aber das ist jetzt nicht die Entschuldigung, weshalb ich heute verloren habe.“

Auch Lisickis Lauf endet

In engen Situationen zu Beginn des dritten Satzes sei sie nicht mutig genug gewesen. Die nur zwei Jahre jüngere Cornet, Weltranglisten-44., brachte zudem nahezu jeden Ball zurück, war glänzend aufgelegt. „Ein Traum geht für mich in Erfüllung“, sagte sie nach dem Sieg.

Im Halbfinale trifft sie am Freitag auf ihre Landsfrau und Freundin Caroline Garcia (28), die im ersten Match des Tages die kleine Siegesserie der lange verletzten Sabine Lisicki beendet hatte. Beim 3:6, 6:7 hatten sich der 32-jährigen Berlinerin gute Chancen geboten. Zwölf Breakbälle erarbeitete sich Lisicki, die sich von Rang 804 der Weltrangliste wieder nach oben arbeiten muss, gegen die French-Open-Siegerin im Doppel. Alleine vier waren es im ersten Aufschlagspiel, dann sogar sechs bei 1:0-Führung im zweiten Satz. Es sollte aber einfach nicht sein. Auch nicht im Tiebreak, als Lisicki zwei Satzbälle hatte.

Im Gespräch mit den Journalisten war sie schon wieder bei bester Laune. Es überwiege klar die Freude über ihre Leistungen beim fünften Turnier seit ihrer 18-monatigen Verletzungspause. Während Lisicki noch auf eine Wildcard für Wimbledon hofft, werde sich Angelique Kerber spätesten am Samstag auf den Weg nach London machen. „Und nächstes Jahr auf ein Neues in Bad Homburg“, kündigte sie an. Ob als Spielerin, ließ sie auf Nachfrage lächelnd offen.

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