Warum ist Ryoyu Kobayashi besser?

Die Konkurrenz analysiert, weshalb der Japaner bei Halbzeit der Tour schon so deutlich führt. „In der Luft ist er gar nicht überragend.“
Als sich der große Tag auf der Olympiaschanze langsam dem Ende zuneigte, war Ryoyu Kobayashi selbst für die Siegertrophäe zu stark. Als der kleine Japaner sie in den Abendhimmel über Partenkirchen stemmen wollte, fiel sie glatt entzwei. Die verleimte Glasskulptur hatte unter Kobayashis Zugriff den Geist aufgegeben. Dem 25-Jährigen entlockte das nur ein leises Kichern.
Worüber sollte er sich auch ärgern an diesem Tag, der ihm seinem zweiten Tourneesieg näher gebracht hat. 13 Punkte hat Kobayashi zwischen sich und seinen schärfsten Verfolger Marius Lindvik gelegt – seit 2010 gab es nie einen souveräneren Halbzeitführenden. Die Frage stellt sich: Was ist passiert mit dem Mann aus Hachimantai? Seit er 2018/19 alles in Grund und Boden gesprungen hatte, war mit ihm nicht mehr viel los gewesen. Und jetzt? Ist er schon wieder das Maß der Dinge! Die Konkurrenz schaut genau, was Kobayashi denn besser macht. Deutschlands Bundestrainer Stefan Horngacher hat das Plus vor allem im Anlauf und im Übergang zum Flug ausgemacht. „In der Luft ist er gar nicht überragend“, sagte er, „aber er nimmt den Schwung perfekt mit.“
Stabiler im Kopf
Genau an diesem Element hatte Kobayashi im Sommer intensiv gefeilt. Hatte entgegen japanischer Gepflogenheiten sein Trainingsquartier dafür in Europa aufgeschlagen. „Das war gut für mich“, sagt er. Und dabei hat er auch eine andere Form des Trainings, die er auch am Rande der Tournee anwendet. Immer wieder stellt sich Kobayashi im Geist den perfekten Sprung vor. Das hat er auch zu Saisonbeginn getan, als er in Ruka mit einer Corona-Infektion in Quarantäne musste. Und er kehrte ohne jeden Durchhänger auf die Schanzen zurück.
Es ist nicht die alles erdrückende Dominanz wie teilweise 2018/19. Auch bei den beiden Tourneespringen verlor Kobayashi je einen Durchgang. Doch der Mann hat sich weiter entwickelt. Beobachter sagen: Er ist auch im Kopf stabiler geworden.
So lieferte er auch dann ab, wenn er unter Druck gerät. Als die Jury beim Neujahrsspringen den Anlauf verkürzte, weil Markus Eisenbichler dem Schanzenrekord nahe gekommen war, legte er trotzdem starke 135,5 Meter nach – das reichte knapp. So dass er nun weiter den zweiten Grand Slam ins Visier nehmen könnte. Tut er aber nicht, wie er in Partenkirchen versicherte. „Ich denke nur an Innsbruck.“