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Einwurf
Teufel, Magier und Götter
- vonDaniel Schmittschließen
Der europäische Fußball ist in Aufruhr. In großen Nationen bietet die Tabelle ein ungewohntes Bild. Lille und Leverkusen, Mailand und San Sebastian stehen vorne. Woran liegt das nur?
Wirken in dieser Saison etwa höhere Mächte auf die Kickerei ein? Der Blick auf die Tableaus der europäischen Topligen jedenfalls hebt bisher gekannte Entwürfe des fußballerischen Weltbildes aus den Angeln. Tabellenführer in Deutschland: Leverkusen statt München. In Frankreich: Lille statt Paris. In Italien: Mailand statt Turin. In England: Tottenham statt Liverpool oder Manchester. Und – Achtung, Achtung – in Spanien: San Sebastián statt Barcelona oder Madrid. Ja sapperlot, das kann doch nicht mit irdischen Dingen zugehen.
Nun gut, weniger große Fantasten mögen einwenden, dass der europäische Fußball vielleicht deshalb durcheinander gewürfelt ist, weil die Riesen dieses Sports ein riesiges Programm hinter sich haben. Sie spielten im Sommer das Champions-League-Finalturnier, hatten kaum eine Pause, sie stellen die meisten Nationalkicker, sind müde. Nicht nur körperlich, vor allem mental. Wer in den letzten Jahren (fast) immer und (fast) alles gewonnen hat, wer satt ist, dem fällt es im Vergleich zu den Hungrigen schwerer, sich mal eben im stressigen Alltag den nächsten Erfolg anzufuttern. Irgendwie logisch diese Argumente, aber ehrlich, längst nicht so charmant anmutend wie etwaige übernatürliche Weltenlenker.
Fußballwelt aus den Angeln
Also bitte: Da wäre zum Beispiel dieser eine Trainer auf der Insel, der seine Spieler so gerne zu bösen Jungs erzieht. Dreckig und erfolgreich soll es sein, findet der gemeine Mou und weiß nach Jahren des Misslingens nun endlich wieder eine teuflische Bande aus Tottenham hinter sich, dieser Beelzebub des Fußballs, José Mourinho.
In Spanien geht es derweil weniger fürchterlich zu, dort wird lieber gezaubert – vom Sensationsersten Real Sociedad San Sebastián im Allgemeinen und David Silva im Speziellen. Der Altmeister, 34, ist es, der das jüngste Team der Liga bis an die Spitze geführt hat. Von seinen magischen Momenten auf dem Rasen profitieren die ansonsten eher unbekannten oder wie Alexander Isak und Mikel Merino zuvor in Dortmund gescheiterten Kollegen.
Scheitern, ein Wort, das es für Zlatan Ibrahimovic nicht gibt. 39 Jahre ist er alt, beißt vor dem Kasten für den italienischen Spitzenreiter AC Milan aber noch regelmäßig wie ein kräftiger Löwe zu. Selbst dem Coronavirus will Ibra das Fürchten gelehrt haben: „Covid hatte den Mut, mich herauszufordern. Schlechte Idee ...“. Schließlich habe Mailand zwar noch nie einen König gehabt, sagt er, jetzt „aber hat es einen Gott“.
Teufel, Magier, Götter – die höheren Mächte der Fußballwelt.