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Verdammte Hacke

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Nicht zu fassen: Ariane Friedrich ist ausgeschieden.
Nicht zu fassen: Ariane Friedrich ist ausgeschieden. © dpa

Trotz persönlicher Jahresbestleistung schafft Ariane Friedrich nicht den Einzug ins olympische Hochsprungfinale. Der DLV verteidigt trotzdem ihre Nominierung.

Von Susanne Rohlfing

Für einen kurzen Moment ist die Welt der Ariane Friedrich wieder in Ordnung. All der Frust und alle Zweifel fallen von ihr ab. Die Latte hat gezittert, aber sie ist liegen geblieben, Friedrich ist drüber. Die 28 Jahre alte Frankfurterin jubelt, als hätte sie gerade olympisches Gold gewonnen. Es ist ein schöner Tag in London. Die Sonne scheint. Es ist warm. Ariane Friedrich sinkt von Erleichterung überwältigt auf der Hochsprungmatte zusammen.

Eine halbe Stunde später steht sie weinend in den dunklen Katakomben des Stadions. Der Tag ist nicht mehr so schön. Ariane Friedrich hat kein Gold gewonnen, keine Blumen, gar nichts. Sie steht noch nicht mal im Hochsprungfinale der Olympischen Spiele von London. Denn darum war es ja gegangen, auch wenn Friedrichs Jubelgesten gestern anderes vermuten ließen.

Bestleistung reicht nicht

„Was soll ich sagen? Ich bin Bestleistung gesprungen und trotzdem nicht glücklich“, beschreibt Friedrich unter Tränen ihre Gefühlslage. Die 1,93 Meter, die sie so gefeiert hatte, die sie in diesem Jahr zum ersten Mal überflogen hatte, reichten nicht. 13 andere Athletinnen hatten diese Höhe ebenfalls gemeistert und das Wertungsgericht war nicht gewillt, alle 14 ins Finale am Samstag zu lassen. Kurz hatte es so ausgesehen. Aber dann war wild diskutiert und gerechnet worden an den Hochsprungmatten. Schließlich mussten diejenigen, die sich bis dahin mehr als einen Fehlversuch geleistet hatten, bei 1,96 Meter weitermachen. Darunter Ariane Friedrich. Denn ihr war der Flug über 1,93 Meter erst im dritten Anlauf geglückt.

Die entscheidende Höhe riss sie zwei Mal deutlich. Das war die von ihrer Achillessehnen-Verletzung vor anderthalb Jahren sowie von Kritik an ihrer Olympia-Nominierung gebeutelte Ariane Friedrich. Aber dann, bei ihrer letzten Chance, zeigte sich kurz die alte Ariane Friedrich. Die Zwei-Meter-Springerin, die deutsche Rekordhalterin (2,06 Meter), der Star, den sich Fans und vor allem deutsche Sport-Offizielle so dringend zurückwünschen. Sie hob ab zu einem schönen Flug, sie überquerte die Latte, es sah gut aus, wie sie da im Sonnenschein ihren schmalen Körper durchbog – aber dann riss sie mit den Hacken doch noch all ihre Träume kaputt. „Der war drüber, aber ich war halt zu dicht“, sagt sie später.

Kritik an Nominierung

Im Vorfeld der Olympischen Spiele hatte Friedrich die geforderte A-Norm von 1,95 Metern nicht geschafft. Bei einigen Wettkämpfen, unter anderem den Deutschen Meisterschaften in Wattenscheid, machte das Wetter Spitzenleistungen schwierig. Bei der EM in Helsinki konnte Friedrich nicht antreten, weil sie sich einen Magen-Darm-Infekt zugezogen hatte. Ihr Trainer und Manager Günter Eisinger hatte gut zu tun damit, immer wieder zu beteuern, dass seine Athletin fit und die Verletzung vollkommen auskuriert sei. Als sie dann ein Olympiaticket bekam, meldeten sich Kritiker zu Wort, unter anderem die zweimalige Hochsprung-Olympiasiegerin (1972, 1984) Ulrike Nasse-Meyfarth.

„Es ist traurig, wenn man so Nestbeschmutzer hat. Ich habe in meinen Augen auch viel für den deutschen Hochsprung geleistet“, sagt Friedrich nun in London. Ihr Blick schweift immer wieder ab. Zum Licht im Stadioninnenraum, als wollte sie zurück und noch einmal springen, als könnte sie nicht glauben, dass es jetzt tatsächlich vorbei ist.

Besser als der Rest

Fest steht: Auch eine angeschlagene Ariane Friedrich ist besser als alle anderen deutschen Hochspringerinnen. Deshalb hatte der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) entschieden, für sie ebenso wie für den verletzten Speerwurf-Weltmeister Matthias de Zordo und den nicht recht in Form gekommenen Kugelstoßer Ralf Bartels einen Härtefallantrag beim Deutschen Olympischen Sport-Bund (DOSB) zu stellen. De Zordo und Bartels scheiterten in London wie Friedrich in der Qualifikation. DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen verteidigte ihre Nominierung dennoch. Er sagte: „Ich stehe dazu, ich fand es richtig, dass man den Athleten die Chance gegeben hat.“

Ariane Friedrich sagt noch: „Man hat ja gesehen, dass ich 1,96 Meter springen kann, also warum soll das nicht das Richtige gewesen sein? Ich sage ja nicht nur, ich bin in guter Form. Ich bin in guter Form.“ Beweisen konnte sie es nicht. Ein letzter Blick ins Licht. „Es hat nicht gereicht. Das muss man akzeptieren. Auch wenn es schwerfällt.“ Dann verschwindet Ariane Friedrich im dunklen Stadioninnenraum.

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