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Sturmwarnung an der Südküste

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Dem Premier-League-Klub FC Portsmouth soll pünktlich zur Öffnung des Transferfensters unter Druck gesetzt werden, seine Steuerschulden mit den Erlösen aus Spielerverkäufen zurückzuzahlen. Von Raphael Honigstein

Von Raphael Honigstein

Das Finanzamt Ihrer Majestät bewies am vergangenen Mittwoch Sinn für Dramatik. Wenige Stunden vor dem Spiel des FC Portsmouth gegen Arsenal London, dem letzten Premier-League-Match des Jahres, bestätigte das Amt, dass gegen den Erstligisten ein Zwangsauflösungsverfahren eingeleitet wurde.

Die Behörde fordert seit Monaten ungezahlte Steuern in Höhe von 6,6 Millionen Euro von Portsmouth, und natürlich war der Zeitpunkt die Ankündigung wohl gewählt: Portsmouth soll pünktlich zur Öffnung des Transferfensters unter Druck gesetzt werden, seine Steuerschulden mit den Erlösen aus Spielerverkäufen zurückzuzahlen.

Klubbesitzer Ali Al-Faraj, ein saudischer Immobilien-Tycoon, muss leider noch mehr Rechnungen begleichen. Premier-League-Vereine, ausländische Klubs und nicht zuletzt der ehemalige Eigentümer Alexandre Gaydamak warten auf Zahlungen von mehr als 50 Millionen Euro.

Am Tag nach der 1:4-Heimniederlage gegen Arsenal konnte der Tabellenletzte zum dritten Mal in dieser Saison auch die Gehälter seiner Spieler nicht pünktlich überweisen. Ein Klubsprecher sprach von einem "technischen Fehler", der Eigentümer und der Vorstand würden "hart daran arbeiten, die zeitliche Verzögerung zu beheben".

Bis Dienstag sollen die Löhne eintreffen. "Von uns weiß niemand, was hier wirklich los ist", gab Verteidiger Steve Finnan zu.

Die Spielergewerkschaft PFA will Anfang der Woche klären, wie schlimm es um den FA-Pokalgewinner von 2008 wirklich steht. Die Premier League hat bereits ein Verbot von Spielerkäufen ausgesprochen, das erst aufgehoben wird, wenn der Klub aus der Hafenstadt ausstehende Transfersummen gezahlt hat.

Gervais Martel, Präsident des französischen Erstligisten RC Lens, fühlt sich beispielsweise "betrogen", weil die Engländer mit der Ratenzahlung für den 4,7 Millionen-Mann Nadir Belhadj im Rückstand sind und nicht die vereinbarten 4,5 Millionen Euro für Aruna Dindane überweisen wollen. "Man sollte sie wie Mouscron aus der Liga schmeißen", forderte Martel ein ähnlich hartes Vorgehen wie jüngst in Belgien gegen Erstligist Excelsior Mouscron.

Im Fall Portsmouth hat das Finanzamt eine Gnadenfrist bis Mitte Februar gewährt. Schafft Al-Faraj es bis dahin nicht, das nötige Geld aufzutreiben, könnte Portsmouth als erster Premier-League-Verein überhaupt Bankrott gehen.

Schon die Vorstufe dazu, ein Insolvenzverfahren, wäre aus sportlicher Sicht katastrophal. Die Premier-League-Statuten sehen einen Abzug von neun Punkten für zahlungsunfähige Klubs vor. Das vom Israeli Avram Grant trainierte Team stiege mit Sicherheit ab.

Die Fans des Arbeitervereins sind verzweifelt. Das Unheil begann im August, als Gaydamak, ein französisch-russischer Unternehmer, den Klub nach dreieinhalb durchweg erfolgreichen Jahren an Sulaiman Al-Fahim verkaufte. Al-Fahim, ein Immobilienunternehmer aus Abu Dhabi, der nach der Übernahme von Manchester City 2008 vorübergehend als Vorsitzender der Hellblauen eingesetzt worden war, zahlte angeblich 70 Millionen Euro für Portsmouth, hatte aber kaum Mittel für den täglichen Firmenbetrieb zur Verfügung.

Die Monatsgehälter der Belegschaft konnten nur dank eines Darlehens gezahlt werden. 40 Tage nach der Übernahme wurde Portsmouth in der Not erneut übernommen. Doch auch der neue Besitzer, Al-Faraj, erwies sich bisher als Scheich der äußerst finanzschwachen Art.

Da der Saudi bisher noch kein Spiel im Fratton Park besucht hat und sich ausschließlich von seinem Londoner Anwalt Mark Jacob und Bruder Ahmed vertreten lässt, wird in einigen Fanforen schon gezweifelt, ob Al-Faraj tatsächlich existiert. Der Guardian spekuliert, dass sich hinter ihm israelische und arabische Immobilienhändler verstecken könnten, und auch Gaydamak gibt an, über "die Identität des ultimativen Besitzers" im Unklaren zu sein.

Lange wird die reichste Liga der Welt der peinlichen Südküsten-Farce nicht mehr zusehen können. Die Geschehnisse in der 170.000-Einwohner-Stadt stellen neben der Wirksamkeit der Kontrollmechanismen auf der Insel nämlich auch das gesamte Geschäftsmodell der Premier League in Frage.

Bisher konnten selbst stark angeschlagene Klubs und ihre Eigner stets darauf vertrauen, rechtzeitig von neuen, potenteren Investoren gerettet zu werden. Was in Portsmouth passiert, zeigt, dass diese Variante des Schneeballsystems die globale Finanzkrise nicht überstanden hat.

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