"Da schmeißt man nicht mal eben hin"

Teammanager Oliver Bierhoff erklärt im FR-Interview, dass der DFB seinen Vertrag uminterpretiert haben wollte: "Ich habe das mit Bedauern akzeptiert."
Herr Bierhoff, Sie inspizieren gerade das WM-Teamhotel Velmore vor den Toren von Pretoria. Man hört ja wahre Schauergeschichten: der kleine Trainingsplatz als Matschwüste, schlechter Service im Restaurant, toter Frosch im Pool, dünne Wände zwischen den Zimmern. Wie ist Ihr Eindruck vor Ort?
Wir sind sehr zufrieden, auch wenn es hier derzeit in Strömen regnet. Zum Glück sind wir die Quartiersuche frühzeitig angegangen und unser Hotel hat bisher alle geplanten Maßnahmen pünktlich abgeschlossen. Andere Mannschaften haben noch das eine oder andere Problem, zum Teil sind die Bauten noch gar nicht fertiggestellt, einige Teams haben kurzfristig gar umgebucht.
Der Trainingsplatz, den der DFB favorisierte, ist nun von der Fifa den Amerikanern zugesprochen worden, weil die näher dran wohnen. Seid Ihr sauer?
Wir akzeptieren das. Entscheidend ist für uns die Rasenqualität. Wir haben unseren Rasenexperten Rainer Ernst dabei, der uns versichert hat, dass bis zur WM alles in Ordnung sein wird. Außerdem haben wir uns gestern mit den Verantwortlichen der Fifa vor Ort abgestimmt, dass der Rasen auf unserem Trainingsplatz komplett ausgetauscht wird. Das gehört auch zu meinem Job, an solchen Themen immer dran zu bleiben.
Sie und Joachim Löw haben auf der Reise zum WM-Workshop nach Sun City viel Zeit zum Reden gehabt. Herrscht Einigkeit, dass Sie gemeinsam nach der WM aufhören beim DFB?
Einigkeit herrscht bei uns, dass wir bis zur WM Vollgas geben. Was danach kommt, kann keiner von uns voraussagen. Das lassen wir ganz entspannt auf uns zukommen. Die Unstimmigkeiten mit den Verantwortlichen des DFB sind ausgeräumt.
Anders gefragt: Kann es einen Bundestrainer Joachim Löw ohne einen Manager Oliver Bierhoff geben oder auch einen Manager Bierhoff ohne Bundestrainer Löw?
Es wäre ja schlimm, wenn dem nicht so wäre. Wir sind ein gutes Team, das nun schon fast sechs Jahre lang sehr eng und erfolgreich zusammengearbeitet hat, aber der weitere Berufsweg wird uns sicher mal eines Tages wieder auseinander führen. Jetzt gilt aber weiterhin unsere Aussage, dass wir uns nach der WM erst mal beide gemeinsam über unsere Zukunft unterhalten und dann mit anderen reden.
Ist denn ein Bundestrainer Matthias Sammer gemeinsam mit einem Manager Oliver Bierhoff für Oliver Bierhoff vorstellbar?
Die Frage stellt sich ja derzeit nicht. Und von diesen ganzen Was-wäre-wenn-Spekulationen halte ich wenig und möchte sie daher nicht kommentieren.
Man hatte den Eindruck, die Tatsache, dass Vertragsverhandlungen mitsamt Interna an die Öffentlichkeit geraten sind und ihm über seinen 50. Geburtstag hinweg eine 48-Stunden-Frist gesetzt wurde, hat bei Löw tiefe Wunden hinterlassen. Es scheint ganz so, als habe Löw für sich bereits entschieden, dass nach der WM Schluss ist als Bundestrainer, genau wie im Fall Jürgen Klinsmann vor vier Jahren nach der Entscheidung für Matthias Sammer als Sportdirektor. Teilen Sie diesen Eindruck?
Nein. Natürlich war es überflüssig und unschön, dass Inhalte der Verhandlungen an die Öffentlichkeit gekommen sind. Aber daraus zu schließen, wir hätten bereits eine negative Entscheidung getroffen, ist falsch. Das war übrigens auch bei Klinsmann seinerzeit nicht so.
Präsident Theo Zwanziger war unter anderem von Ihnen persönlich sehr enttäuscht, weil im Vertragswerk Ihr Ansinnen paraphiert war, vor Nike-Managern in den USA interne Vorträge halten zu dürfen. Ist das Verhältnis überhaupt noch reparabel?
Auf jeden Fall, wir haben zuletzt wieder gute Gespräche geführt. Und zur Erklärung: Ich hatte eine zehnjährige Partnerschaft mit Nike und war vergangenes Jahr ein einziges Mal gefragt worden, ob ich dort zur Verfügung stehen könnte. Ich habe das abgelehnt. Aber ich finde es richtig, einmal offen, ehrlich und vertrauensvoll anzufragen, ob das generell möglich wäre.
Aus DFB-Kreisen hörte man, dass einzelne Vertragsinhalte mit den Trainern gar nicht abgesprochen sein sollen, sondern auf Ihre persönliche Initiative hin hineingeschrieben werden sollten. Stimmt das so?
Nein. Wir haben uns als Team zusammengesetzt und unsere wesentlichen gemeinsamen Vorstellungen miteinander besprochen. Aber jeder einzelne kennt die gesamten Vertragsdetails des anderen natürlich nicht.
Es gibt auch Kritik, weil Sie als Präsidiumsmitglied des DFB ja eigentlich dafür Sorge tragen müssten, dass Sie selbst und Trainer Löw als Angestellte des DFB möglichst preisgünstig Ihre Arbeit verrichten.
Laut meinem Vertrag gehört es zu meinen Aufgaben, im Sinne des DFB die Verhandlungen mit dem Trainerteam zu führen. So war auch immer mein Denken und Anspruch. Aber im Sommer 2009 haben mir der Präsident und der Generalsekretär Wolfgang Niersbach klar gemacht, dass ich diese Rolle bei den neuen Vertragsverhandlungen nicht übernehmen soll, sondern dass sie mich zu dem Team Löw zählen. Wenn auch mit Bedauern, ich habe das akzeptiert.
Weil Sie sich als Konstante sahen, der unabhängig vom Bundestrainer agiert?
Genau. Und weil ich laut meines Vertrages auch derjenige sein soll, der bei einem Wechsel eine Vorschlagliste erstellt und abarbeitet. Stattdessen fühle ich mich nun auf ausdrücklichen Wunsch des DFB auch Team Löw zuhörig.
Sie wollten aber auch ein Vetorecht in der Bundestrainerfrage.
Stimmt, das wollte ich. Ich habe aber auch Verständnis, wenn das abgelehnt wird. Da ist für mich aber kein Grund für öffentliche Debatten und Vorwürfe.
Und die Gratifikation, die Sie forderten?
Das ist in vertraglichen Angelegenheiten doch nicht unüblich. Auch der DFB hatte von sich aus eine Einmalzahlung angeboten.
In der öffentlichen Wahrnehmung bleibt: Oliver Bierhoff ist ein raffgieriger Selbstüberschätzer.
Das dieser Eindruck entstanden ist, ist einerseits nicht fair, andererseits bin ich selbst auch etwas verantwortlich dafür. Aber ich werde auch in Zukunft im Sinne der Nationalmannschaft kämpfen und Kritik ertragen.
Ein konkretes Beispiel, Herr Bierhoff, das viele nicht verstehen: Der DFB wirbt für die Commerzbank, Sie selbst seit 2007 für die Postbank. Wie passt das zusammen?
Die Postbank war zu dem Zeitpunkt, als sie mich als Testimonial gebunden hat, ein DFB-Sponsor. Meine Partnerschaft mit der Postbank läuft in diesem Sommer aus.
Sie befinden Sie mit Ihrer von Ihrem Partner Marc Kosicke geführten Agentur Projekt B im Rechtsstreit mit der Kölner Agentur Sports First, deren Geschäftsführer Ex-Nationaltorwart Toni Schumacher ist. Sports First klagt Provision von Projekt B für den Vertragsabschluss mit der Postbank ein. Werden Sie zahlen oder sich zur Wehr setzen?
Wir werden unsere Rechtslage darlegen. Für mich ist das erste Mal, dass ich in einen Rechtsstreit gehen muss. Der Fall liegt bei den Anwälten. Die seit langem schwelende Angelegenheit wird sicher dazu benutzt werden, mich wieder in eine bestimmte Schublade einzusortieren. Damit muss ich leben.
Es gibt seit Jahren Kritik daran, dass Sie Diener zweier Herren sind: der des DFB und der Ihrer Agentur Projekt B, die unter anderem Jürgen Klopp managt. Haben Sie dafür Verständnis?
Ich bin in dieser Agentur lediglich Teilhaber, aber überhaupt nicht aktiv tätig. Tatsächlich ist es sogar so, dass die Aktivitäten der Agentur durch meine Tätigkeit für die Nationalmannschaft begrenzt sind. Marc Kosicke konnte viele Aufgaben nicht übernehmen, weil mögliche Interessenkonflikte bestanden hätten.
Gab es in den vergangenen Wochen mal einen Punkt, wo Sie kurz davor waren, den Kram hinzuschmeißen?
Nein. Ich bin Manager bei Deutschlands liebstem Kind. Da schmeißt man nicht mal eben so hin. Es gehört auch mal dazu, solch schwierigen Momente durchzustehen und wir haben jetzt ein großes Ziel vor Augen.
Interview: Jan Christian Müller