Rot-weiß-rote Skisprungwelt
Die Österreicher dominieren derzeit die internationalen Wettbewerbe auf den Schanzen - nicht nur, aber auch wegen Ausnahmekönner Gregor Schlierenzauer. Von Stephan Klemm
Von Stephan Klemm
Im vorwiegend österreichisch besetzten Skisprungstadion am Bergisel, draußen über der Stadt Innsbruck, ist der Jubel nicht mehr zu bremsen: perfekte Stimmung, rot-weiß-rote Fahnen wehen, 21000 Menschen singen und tanzen. Schon wieder dominieren die österreichischen Flieger, der Rest der Welt kann zurzeit nicht mithalten; zu sicher, zu konstant, zu überlegen sind die Athleten aus dem Alpenstaat. Die Daten aus Innsbruck: Sieg für den Österreicher Gregor Schlierenzauer, der damit auch die Führung im Gesamt-Weltcup übernimmt. Drei seiner Teamkollegen schaffen es noch in die Top Ten.
Dieses statistische Material passt zu den bisherigen Eindrücken der 58. Vierschanzentournee. Das Auftaktspringen in Oberstdorf gewann der Tiroler Andreas Kofler, hinter ihm wurden noch fünf weitere Österreicher unter den besten Zehn gewertet. In Garmisch-Partenkirchen, der zweiten Tournee-Station, gewann Gregor Schlierenzauer vor Wolfgang Loitzl, Doppelsieg für Austria, Kofler wurde Vierter und baute seine Führung in der Tournee-Gesamtwertung aus. Der österreichische Cheftrainer Alexander Pointner sagt dazu: "So ein Ergebnis ist unglaublich, es ist wie gemalt und bestellt." Das dahinter stehende Konzept geht auf.
Entworfen wurde es in Zeiten der Baisse. Um die Jahrtausendwende gab es immer mal wieder österreichische Springer, die mithalten konnten. Andreas Widhölzl zum Beispiel gewann im Jahr 2000 die Tournee, doch die Maßstäbe setzten in dieser Zeit zwei Deutsche: Sven Hannawald und Martin Schmitt. Vor allem Hannawald war in Sachen Sprungästhetik eine Art Leitbild für eine neu auszubildende österreichische Flieger-Generation. "Wir haben voller Neid nach Deutschland geschaut. So etwas gab es bei uns nicht. So etwas sollte aber schnellstens her", erinnert sich der heutige deutsche Bundestrainer Werner Schuster, ein Österreicher.
Geschaffen wurde laut Pointner "ein einheitliches System", das viel Wert legt auf Materialinnovationen, Athletik, also Absprungschulung, und die Flugausbildung im Hang. Der zentrale Skisprung-Unterricht findet im Skigymnasium von Stams in Tirol statt, 30 Kilometer westlich von Innsbruck. Dort gibt es zwei hauseigene Trainingsschanzen, eine kleine und eine mittlere, beide können ganzjährig genutzt werden. Einer der Ausbilder dort war zwischen 1998 und 2007 Werner Schuster, der sagt: "In Stams wird eine profunde Grundlage gelegt. Der aktuelle Erfolg zeigt, dass das Prinzip funktioniert."
Die für einen Neuaufbau nötige Zeit bekam Pointner, der seit 2004 im Amt ist. Einen ersten Lohn des Wartens durfte er auch schon in Empfang nehmen. Sechs Jahre nach Beginn der Aufbauarbeiten gewann Thomas Morgenstern 2006 Gold von der Großschanze bei den Olympischen Spielen von Turin, Silber ging an Kofler, den Sieg im Teamwettbewerb sicherte sich: Österreich.
Hinzu kam zuletzt auch Glück. Österreich besitzt das größte Talent der Gegenwart, Gregor Schlierenzauer aus Rum in Tirol. Der Sieger von Partenkirchen und Innsbruck ist erst 19 Jahre alt, hat aber schon 28 Weltcup-Siege plus einen Gesamterfolg in dieser Wertung sowie zwei Weltmeistertitel gesammelt. Dass es neben Schlierenzauer aber noch so viele andere Talente und Top-Ten-Athleten im besten Alter gibt, ist auch Teil der üblichen Dynamik: Die Ausbildungssysteme und -ideen greifen, es entstehen Idole wie Schlierenzauer - "und denen möchten alle nacheifern", sagt Pointner.
So kommt es, dass seine Athleten auch den Continental-Cup dominieren, die zweite Liga des Skispringens. Die ersten fünf Plätze besetzen dort Nachwuchshoffnungen aus Österreich. Für den Rest der Welt ist das keine gute Nachricht.