Olympiasieger unter den Zahlern

Schwere Anschuldigungen gegen Lamine Diack: Gold- und Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele von London sollen sich vor Dopingsperren freigekauft haben.
Im Skandal um vertuschtes Doping und Manipulationen im russischen Sport rüstet sich die Leichtathletik-Welt für die nächste Welle der Enthüllungen. Schon vor der Veröffentlichung des Berichts der unabhängigen Ermittler der Welt-Antidopingagentur (Wada) am Montag in Genf wurden weitere Details der Affäre bekannt. Auch zwei spätere Olympia-Medaillengewinner von London sollen der „Sunday Times“ zufolge hohe Bestechungsgelder an die Führung des Leichathletik-Weltverbands IAAF um Ex-Präsident Lamine Diack gezahlt haben, um positive Dopingproben zu verschleiern.
„Das sind dunkle Tage für unseren Sport“, sagte der neue IAAF-Boss Sebastian Coe der BBC. Und am Montag dürfte alles noch schlimmer werden, wenn die Wada-Ermittler die Ergebnisse ihrer Untersuchung der Dopingpraktiken in Russland präsentieren. „Dieser Bericht wird den Sport verändern. Das ist ein völlig anderes Ausmaß der Korruption als der Fifa-Skandal“, sagte Rechtsexperte Richard McLaren, Mitglied der Wada-Kommission.
Ausgelöst hatte die Untersuchung die ARD-Dokumentation „Geheimsache Doping – Wie Russland seine Sieger macht“ vom Dezember 2014. Doch erst in der vergangenen Woche waren auch die schweren Vorwürfe gegen Diack bekanntgeworden, die nun den Fall noch erheblich brisanter machen. Insgesamt sollen sich acht russische Athleten gegen hohe Summen von einer möglichen Sperre freigekauft haben und dann bei den Sommerspielen 2012 am Start gewesen sein, berichtete die „Sunday Times“. Einer dieser Sportler sei Olympiasieger geworden, ein weiterer habe eine Silbermedaille gewonnen.
Anklage der französischen Justiz
Diack soll im Zentrum dieses Schmiergeldsystems gestanden haben. Die französische Justiz hat den Senegalesen wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche angeklagt. Der 82-Jährige soll in seiner Amtszeit nach Angaben der französischen Staatsanwaltschaft mehr als eine Million Euro kassiert haben, um positive Dopingproben zu vertuschen. Auch sein Anwalt Habib Cissé wurde angeklagt. Zudem sind der einstige Leiter der Antidopingabteilung der IAAF, Gabriel Dolle, und Diacks Sohn Papa Massata ins Visier der Justiz gerückt.
Coe, der nach Bekanntwerden der Affäre die Vorwürfe noch als „Kriegserklärung an die Sportart“ tituliert hatte, bezeichnete die Vorgänge um Diack als „widerlich“. Der Brite versicherte indes, es seien keine Dopingfälle verschleiert worden. Alle Verstöße gegen das Kontrollsystem des Biologischen Passes seien sanktioniert worden. Dennoch bekannte der Olympiasieger, der Leichtathletik stehe ein „langer Weg“ bevor, sich vom Schatten des Dopings zu befreien. „Ich bin entschlossener denn je, das Vertrauen in unseren Sport wiederaufzubauen“, sagte Coe.
Russlands Sportminister Witali Mutko spielte die Vorwürfe gegen sein Land indes erneut herunter. „Bei uns gibt es Dopingprobleme wie im Rest der Welt auch“, sagte Mutko am Sonntag in Moskau. „Sie wissen, dass wir alle Entscheidungen getroffen haben. Wir haben einen neuen Präsidenten des Leichtathletikverbandes und einen neuen Trainer“, schilderte Mutko der Agentur Interfax Russlands bisherige Reaktionen auf die Anschuldigungen.
Die Wada-Untersuchung hatte die dunklen Geldflüsse von Russland in die IAAF-Spitze offenbar zutage gefördert. Die Ermittler hatten Belege zum Dopingfall der türkischen Olympiasiegerin von 2012, Asli Cakir Alptekin, entdeckt. Der 1500-Meter-Läuferin soll angeboten worden sein, eine positive Dopingprobe von ihr verschwinden zu lassen, wenn sie dafür zahle. Nachdem sie sich weigerte, wurde die Türkin wegen wiederholten Dopings für acht Jahre bis 2021 gesperrt und ihr das Olympiagold aberkannt.
Zwar sollen bei der Wada-Pressekonferenz keine weiteren Details zu den Ermittlungen der französischen Justiz im Fall Diack bekanntgegeben werden. Angesichts der Verbindung zwischen dem angeblichen Dopingsystem in Russland und den Schmiergeldzahlungen an die IAAF-Spitze sind weitere bohrende Fragen jedoch programmiert. (dpa/sid)