Skandal in der NHL: Sexueller Missbrauch von Kyle Beach systematisch vertuscht

Eishockeyspieler Kyle Beach wird von einem Coach missbraucht – und die Sache danach vertuscht. Jetzt spricht er darüber und offenbart die tiefen Abgründe der NHL.
Chicago - Elf Jahre lang hat Eishockeyspieler Kyle Beach mit der Sache gekämpft, in dieser Woche hat er es nun öffentlich gemacht. Der damals 20 Jahre alte Profi wurde in seinem ersten Jahr in der National Hockey League (NHL) vom Videocoach der Chicago Blackhawks sexuell missbraucht – und wurde gezwungen zu schweigen. Wie der heute 31-Jährige im Interview mit dem kanadischen Sender TSN erzählt, habe man ihn bedroht, nicht darüber zu sprechen, sonst sei seine Eishockey-Karriere vorbei, bevor sie richtig begonnen habe.
Doch er wollte sich nicht einschüchtern lassen, meldete den Fall trotzdem – ohne Erfolg. In der vergangenen Woche dann wurden die Ermittlungsergebnisse der Kanzlei Jenner & Block veröffentlicht, die alle schrecklichen Details offenlegen. Anschließend ging ein Beben durch die NHL und durch die USA, denn der Fall offenbart erneut die tiefen Abgründe des amerikanischen Spitzensports. Denn es ist nicht der erste Skandal dieser Art, der den Sport in Nordamerika ins Wanken bringt.
Kyle Beach in der NHL missbraucht – Verein versucht zu vertuschen
Erst vor wenigen Monaten hatte die amerikanische Olympiasiegerin Simone Biles bei einer Anhörung vor dem Kongress in Washington D.C. schwere Vorwürfe gegen den US-Gymnastik-Verband und das FBI erhoben. Konkret ging es um eine Ermittlung wegen Missbrauchs gegen den langjährigen Team-Arzt Larry Nassar, der Biles und hunderte andere Athlet:innen sexuell missbraucht haben soll.
Auf einer anderen Ebene, aber ähnlich erschütternd, lesen sich Berichte von jungen Frauen und Männern, die als Cheerleader:innen in der Milliarden-Dollar-Industrie National Football League (NFL) beschäftigt sind – und offenbar systematisch ausgebeutet werden.
Kyle Beach, dessen sexueller Missbrauch elf Jahre lang von seinem ehemaligen Verein und der NFL vertuscht wurde, hat es aufgrund dieser traumatischen Erfahrung nie geschafft, seinen eigentlich vorgezeichneten Weg zu gehen. Beach wurde 2008 beim Draft bereits an Nummer elf gezogen, seine millionenschwere Karriere schien seinen Lauf zu nehmen. Doch am Ende machte er kein einziges Spiel in der prestigreichen NHL, spielte stattdessen in Österreich, Ungarn und Schweden.
Kyle Beach berichtet über Missbrauch in der NHL: Hat ihn „zerstört“
Schuld daran war nicht etwa Kyle Beachs vergeudetes Talent. Zwar habe er nach eigener Aussage dumme Dinge getan, auch Alkohol und Drogen sollen im Spiel gewesen sein – ausgelöst von den Ereignissen 2010, die ihn „zerstört haben“. Erst der sexuelle Missbrauch, dann die fehlenden Konsequenzen für den Videocoach. Für seinen Verein, die Chicago Blackhawks war die Meisterschaft laut des Reports der Kanzlei Jenner & Block wichtiger als die Anschludigungen Beachs.
Die Blackhawks gewannen am Ende der Saison tatsächlich die Meisterschaft, wenige Wochen danach wurde Aldrich ohne weitere Ermittlungen entlassen, bekam sogar noch ein gutes Zeugnis. Anschließend arbeitete er zunächst für den amerikanischen Verband, später an einer Highschool im US-Bundesstaat Michigan, wo er einen 16 Jahre alten Jungen sexuell missbrauchte.
Kyle Beach von Trainer missbraucht – nicht sein einziges Opfer
Kyle Beachs Agent Ross Gurney hatte bereits 2011 der NHL Meldung erstattet, doch auch dort wollte man von der Geschichte nichts wissen. Im Nachhinein für den Eishockeyspieler Beach ein weiterer Tiefschlag. Denn wie er gegenüber TSN sagte, wäre dieser 16 Jahre alte Junge in Michigan vielleicht nicht sexuell missbraucht worden, wenn die Geschichte über Aldrich bekannt gewesen wäre. Der ehemalige Videocoach wurde 2013 wegen sexuellem Missbrauchs eines 16-Jährigen für schuldig befunden und laut TSN für neun Monate ins Gefängnis geschickt. Darüber hinaus wurde er für 60 Monate gesperrt.
Als Kyle Beach von diesem Fall hörte, versuchte er erneut, seine eigenen Erfahrungen in der NHL zu platzieren. Doch wieder passierte nichts, weder Liga, noch Klub oder Spielergewerkschaft hätten nach Angaben des heute 31 Jahre alten Eishockeyspielers reagiert. Im Gegenteil hätten sie versucht, die Ermittlungen zu behindern.
Nach sexuellem Missbrauch an Kyle Beach: Systematisches Versagen der NHL
Doch jetzt ist es raus und die NHL muss sich mit dem Thema befassen. Seit dem Bekanntwerden des sexuellen Missbrauchs und dem systematischen Versagen auf allen Ebenen mussten diverse Personen zurücktreten – unter ihnen Manager Stan Bowman und Trainer Joel Quenneville, dreimaliger Meister mit Chicago, und zuletzt in Florida beschäftigt.
Die Rolle von NHL-Geschäftsführer Donald Fehr in dieser Sache ist bisher unklar, Agent Ross Gurney will zwar laut TSN 2011 mit ihm gesprochen haben, belegt ist das allerdings nicht. Nach der Veröffentlichung des Reports der Kanzlei Jenner & Block meldete er sich laut TSN öffentlich zu Wort: „Kyle Beach hat eine schreckliche Erfahrung gemacht, doch mit dem Erzählen seiner Geschichte hat er echte Courage gezeigt“, wird der 73-Jährige aus einem Statement zitiert. „Es gibt keinen Zweifel daran, dass das System gescheitert ist, ihm zu helfen, als er uns brauchte. Wir sind alle ein Teil dieses Systems“, schrieb Fehr weiter.
Für Kyle Beach, der heute in der deutschen Oberliga bei den Erfurt Black Dragons, dürfte die Veröffentlichung des Reports und das anschließende Interview auf TSN für Erleichterung gesorgt haben. Denn endlich hört die Welt ihm zu. (msb)