Leichte Nachteile

Der einzige Deutsche beim Boat Race in London legt sich für den Oxford-Achter in die Riemen. Für den Frankfurter Ruderer Simon Gawlik geht damit ein Traum in Erfüllung. Von Katja Sturm
Das Wetter ist unbeständig dieser Tage in London. Mit Regenschauern ist - wie so oft - zu rechnen, und eine frische Brise aus dem Süden könnte den Studenten der Universitäten Oxford und Cambridge zu schaffen machen, sobald sie heute (Start: 17.30 Uhr, 03.04.2010) mit ihren Ruderachtern die Kurve gekriegt und damit mehr als die Hälfte der 6779 Meter langen Boat-Race-Strecke hinter sich haben. Doch Wind und Wellengang gehören dazu beim Traditionsduell auf dem von den Gezeiten der Nordsee beeinflussten Teil der Themse. Allerdings beeinträchtigten die widrigen Bedingungen schon die Vorbereitungen auf die 156. Auflage des Klassikers, der jährlich eine Viertelmillion Zuschauer ans Ufer lockt.
Diverse der Standortbestimmung dienende Rennen mussten abgesagt werden, erzählt Oxford-Ruderer Simon Gawlik, der einzige deutsche Teilnehmer in diesem Jahr. Und da beim Einwiegen der 1,86 Meter große und 92,6 Kilo schwere 24-Jährige und seine Kollegen an den Riemen pro Person nur 500 Gramm weniger auf die Waage brachten als die Lightblues aus Cambridge, sind Prognosen über den Rennausgang schwer zu treffen. Gilt das Mehrgewicht eigentlich als Vorteil, stehen die mit 75:79 Siegen noch hinterherrudernden Darkblues bei den Buchmachern dennoch etwas höher im Kurs. Gawlik, der auf der Sieben direkt hinter dem britischen Schlagmann Charlie Burkitt sitzt, betont zudem, dass sein Team äußerst hart gearbeitet habe, der Zusammenhalt bestens sei.
Für den Frankfurter erfüllt sich mit dem Platz im Oxford-Achter ein jahrelanger Traum. Seit er als Zwölfjähriger mit dem Rudern begann, habe er jedes Boat Race im Fernsehen verfolgt. Nun tritt er selbst in die Fußstapfen von 17 deutschen Vorgängern. Doch im Gegensatz zu vielen von ihnen, spielt der U23-Weltmeister im Doppelvierer von 2004 im Nationalteam des Deutschen Ruderverbandes keine Rolle mehr. 2005 noch einmal dabei, begann er nach einem sehr guten Abitur und zwei Semestern VWL in Frankfurt ein Wirtschaftsstudium an der renommierten US-Universität in Harvard. Das Studium, aber auch die Wettkampftermine der Universitätsliga im Rudern verhinderten Teilnahmen an den Auswahlverfahren für das deutsche Nationalteam. Doch Gawlik erschien das Angebot aus Harvard, für das er auch das Traditionsrennen gegen Yale bestritt, zu verlockend für einen Verzicht.
Rückkehr ins Nationalteam?
Die optimale Möglichkeit, Studium und Sport auf höchstem Niveau unter einen Hut zu bringen, bietet sich in den USA allerdings nur den Bachelor-Studenten. Nach seinem Abschluss im vergangenen Jahr suchte der in seiner Heimat für den RC Nassovia Frankfurt-Höchst startende Gawlik deshalb einen neuen Studienplatz und fand ihn für ein Jahr im Bereich Management in Oxford.
"Anfangs hat man mir abgeraten, in meiner Bewerbung das Rudern zu nennen", erklärt er. Den Professoren sei es wichtig, dass man sein Studium ernst nehme; sie hätten deshalb gar nicht so gerne Sportler im Hörsaal. Habe man sie aber erst einmal vom Studieneifer überzeugt, leisteten sie Hilfe.
Wie es nach dem großen Rummel um das Boat Race im Sommer für Gawlik weitergeht, darüber ist er sich noch nicht im Klaren. Natürlich liebäugelt er damit, zurückzukehren ins deutsche Nationalteam und es vielleicht sogar bis zu den Olympischen Spielen 2012 nach London zu schaffen. Seine berufliche Laufbahn will der ehrgeizige junge Mann allerdings nicht aus dem Blick verlieren, "es ist schwer genug, Arbeit zu finden", sagt er. Und die Wirkung eines Studiums in Harvard oder Oxford "entfaltet sich auch eher in den USA oder Großbritannien". Vielleicht aber hilft ja bei einem sportaffinen Unternehmenschef ein Sieg im Boat Race weiter.