Auf der Lauer

Die Mercedes-Stallrivalen Michael Schumacher und Nico Rosberg befinden sich in einer Zwickmühle aus Ignorieren und Positionieren. Von Elmar Brümmer
Von Elmar Brümmer
Balance, das ist die schwierigste Aufgabenstellung in der Formel 1: Hunderte Techniker jagen ihr auf der Datenautobahn hinterher. Doch die Seismografie der beiden Rennfahrer eines Teams ist manchmal die weit diffizilere Abstimmung, da reine Gefühlssache. "Balanciert sein", lautet der Merksatz von Mercedes-Sportchef Norbert Haug vor dem Großen Preis von Malaysia (Sonntag, 10 Uhr, RTL), "ist die Basis für den kommenden Erfolg."
Bei Mercedes Grand Prix spielen die beiden Chauffeure Michael Schumacher und Nico Rosberg verkehrte Rennwelt, und das hat nicht allein damit zu tun, dass die Streckenarbeiter im Motodrom von Sepang die Namensschilder über den Boxengaragen vertauscht haben. Die beiden treibt nicht nur die gemeinsame Suche nach der verlorenen Zeit - begonnen hat beim dritten WM-Lauf auch die persönliche Frage nach dem wahren Ich.
Nico Rosberg (24) ist unter den Talenten der Formel 1 wohl derjenige mit dem größten Sonnyboy-Potenzial. Auch in Malaysia parliert er fröhlich, ist schlagfertig und offensiv - so lange er allein auf einem Podium sitzen darf. Er führt nach Punkten bisher mit 20:9 gegen Schumacher, müsste daher weit zufriedener sein. Ist er vielleicht auch, aber er traut es sich kaum an den Tag zu legen, wenn er bei Terminen zusammen mit dem Rückkehrer Michael Schumacher (41) auftreten muss. Dann erscheint der zweite Nico, ein eher gehemmter. Rollentausch in der Zweierbeziehung?
Der Rekordweltmeister plaudert drauf los und kann selbst seinem zehnten Platz von Melbourne noch Positives abgewinnen. Er misst sich an den eigenen Erwartungen und hat das Lachen zum Markenzeichen erkoren: "Ich genieße es, zusammen mit dem Team diesen Rückstand aufzuholen, auch wenn es etwas länger dauert. Da fühle ich mich in meinem Element." Der Silberpfeil ist momentan an seinem Maximum, Schumacher noch lange nicht. Das Leben sei eben kein Wunschkonzert, philosophiert er dennoch gelöst. Die Rivalität zu Rosberg negiert er scheinbar komplett mit seinem Lächeln.
Rosberg im Training schneller
Dennoch fühlt sich Rosberg ernst genommen bei Mercedes GP, ein erster Schritt zur Emanzipation: "Ich habe meine Nische im Team gefunden." Aber er weiß auch, dass das nur die Basis für ein beginnendes Duell ist: "Es ist ein fortwährender Prozess." Er befindet sich in einer Zwickmühle aus Ignorieren und Positionieren und hat damit die wohl schwierigste Arbeitsstelle in der Boxengasse.
Am Freitagnachmittag, als die Probe-Wettfahrten in der brütenden Hitze Malaysias richtig in Schwung kamen, führte Schumacher die Zeitenliste an - wenn auch nur für 40 Sekunden. Am Ende der Carfreitags-Session war er Fünfter, 0,231 Sekunden hinter dem drittplatzierten Rosberg. Der Lauerzustand, den die beiden in der Boxengasse pflegen, greift auf die Piste über. So kommen sie sich doch langsam näher, irgendwie.