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Geistige Frischzellenkur

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Der deutsche Kombinierer Björn Kircheisen (M./Nummer12/Johanngeorgenstadt) und der Österreicher Felix Gottwald (vorn)laufen im Skistadion Oberhof im Rennen über 10 Kilometer.
Der deutsche Kombinierer Björn Kircheisen (M./Nummer12/Johanngeorgenstadt) und der Österreicher Felix Gottwald (vorn)laufen im Skistadion Oberhof im Rennen über 10 Kilometer. © dpa

Hannu Manninen und Felix Gottwald sind mit neuer Lockerheit in die Kombinierer-Szene zurückgekehrt. Der Vierfachweltmeister der Nordischen Kombination, Ackermann gibt gleich zweimal auf. Von Reinhard Sogl

Von Reinhard Sogl

Vielleicht hätte Ronny Ackermann die Zwangspause wegen Pfeifferschen Drüsenfiebers im vergangenen Jahr zum Karriereende nutzen sollen. Dann hätte der 32 Jahre alte Dermbacher nach seinem spontanen Rücktritt vom Rücktritt jetzt nicht diese großen Probleme, sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Der gesundheitlich angeschlagene Vierfachweltmeister in der Nordischen Kombination ging am Wochenende in Oberhof zur Schonung der Kräfte zweimal aus dem Rennen, während sich seine langjährigen Rivalen Hannu Manninen und Felix Gottwald für ihre Podestplätze feiern ließen.

Der 31 Jahre alte Finne und der fast 34 Jahre alte Österreicher präsentieren sich nach schöpferischen Auszeiten so stark wie ehedem und sicherten sich am Samstag die Plätze eins und zwei; Gottwald schaffte diese Platzierung am Sonntag noch mal, Manninen nahm mit Rang 17 eine kleine Auszeit. Vor Jahresfrist hatte der US-Amerikaner Todd Lodwick (33) in Oberhof schon als Zweiter einen aufsehenerregenden Wiedereinstieg nach mehr als zwei Jahren Absenz geschafft. Mehr noch als im Skisprung, im Bobfahren, im Tennis und in der Formel 1 sind Rücktritte und Comebacks bei den nordischen Zweikämpfern eine angesagte Kombination.

Am besten wäre gewesen, wenn Ackermann auch gleich noch die Schulbank gedrückt hätte wie der in der vergangenen Saison vermisste Finne, der seiner Ausbildung zum Piloten wegen kaum zum Trainieren kommt und deshalb nach seiner Ad-hoc-Entscheidung vom vergangenen August, per "qualitativem Training" in den Kampf um den noch fehlenden Olympiasieg wieder einzusteigen, auch erst drei Weltcupwettbewerbe mitgemacht hat. Sonst würde auch kaum der am Samstag drittplatzierte Franzose Jason Lamy Chappuis das Gelbe Trikot des Weltcupführenden tragen, denn Manninens Bilanz ist beängstigend gut: Nach seinem Triumph gleich im ersten Wettkampf zum Saisonstart in Kuusamo ließ der fliegende Finne einen zweiten Platz und in Oberhof seinen insgesamt 47. Weltcupsieg folgen. "Unglaublich", sagt Manninen und nippt an seinem heißen Aufgussgetränk. "Nach einem Jahr Pause sieht man die Kombination aus einem anderen Blickwinkel, und man denkt über Dinge anders", beschreibt Manninen die geistige Frischzellenkur. "Es war dann eine einfache und schnelle Entscheidung zum Comeback", sagt der dreimalige Gesamtweltcupsieger.

Felix Gottwald brauchte für seinen Entschluss zum "Neustart" - den Begriff Comeback lehnt der Doppelolympiasieger von Turin für sich ab, der Autor seiner Biografie "Ein Tag in meinem Leben" vergleicht sich mit einem "Betriebssystem, das neue Updates kriegt und wieder gestartet wird" - immerhin doch sieben Stunden. So lange dauert die Fahrt mit dem Auto für die 620 Kilometer vom tschechischen Liberec ins heimische Ramsau. Zeit genug, um im Plausch mit dem Mitfahrer auf die verrücktesten Ideen zu kommen. "Wir haben so dahingeblödelt", erinnert sich Gottwald an jene Rückfahrt mit einem Servicemann am 1. März 2009 von der Weltmeisterschaft, von der Gottwald als Kommentator für das Österreichische Fernsehen über die beiden WM-Titel von Todd Lodwick berichtet hatte. Nach "dem belanglosen Gespräch" seien die Neustart-Gedanken "immer intensiver" geworden, und also nahm der Mann aus dem Salzburger Land einen Tag später und zwei Jahre nach seinem Rücktritt das Training zunächst probehalber wieder auf. "Frei im Kopf", wie der redegewandte Botschafter für ein bewussteres Leben sagt, habe ihm das Training in der Kleingruppe und ohne ins "alte Fahrwasser" zurückzukehren viel Spaß bereitet, aber "nie, ohne das große Ganze aus den Augen zu verlieren". Der Sport sei jetzt eine "herrliche Nebensache", die man einfach nicht so ernst nehmen dürfe.

Dafür nehmen die Konkurrenten die alten Kameraden ernst, zumal die ihre läuferischen Fähigkeiten nicht eingebüßt, dank der neuen geistigen Frische ihre Sprungtechnik aber verbessert haben. "Sie sind feinfühliger fürs Springen", sagt Bundestrainer Hermann Weinbuch. Zudem profitieren sie mehr als die Schanzenspezialisten von der neuen Sprungregel, wonach Windunterstützung zu Punktabzügen führt. Weinbuch: "Seither gibt es keine Überspringer mehr."

Wer Manninen und Gottwald abschreibe, begehe einen großen Fehler, warnt Björn Kircheisen, am Sonntag mit Rang drei auf dem Podest. Zwischen dem starken Läufer und den beiden Altmeistern gibt es derzeit zumindest in puncto neue Leichtigkeit des Seins durchaus Parallelen. "Ich fühle mich jetzt viel lockerer als anfangs der Saison. Wenn man weniger nachdenkt, macht es mehr Spaß", gibt Kircheisen zu, der seit seinem Sieg von Ramsau (vor Felix Gottwald) neben Tino Edelmann und Eric Frenzel das Olympiaticket bereits in der Tasche hat.

Spaß, der sich bei Ronny Ackermann einfach nicht einstellen will. Stattdessen wird für die langjährige Nummer eins der Druck vor Vancouver immer größer, aber Weinbuch bleibt zuversichtlich: "Er ist es gewohnt, damit umzugehen. Ein ordentlicher Wettkampf reicht." Und wenn nicht - vielleicht gibt´s ja ein Ackermann-Comeback 2014 vor Sotschi.

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