1. Startseite
  2. Sport
  3. Sport A-Z

Die Geheimnisse des alten Mannes

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Arnd Festerling

Kommentare

Holmes mit der Nummer 10 ist nicht aufzuhalten.
Holmes mit der Nummer 10 ist nicht aufzuhalten. © rtr

Dank der Taktiken von Dick LeBeau gewinnen die Pittsburgh Steelers zum sechsten Mal den Superbowl. Von Arnd Festerling

So geht Football: James Harrison streckte alle Viere von sich. Er war am Ende. Am Ende des Spielfelds, was seinen Steelers sechs wichtige Punkte gebracht hatte, aber auch am Ende seiner Kräfte. 100 Meter war er über den Platz gesprintet. Und James Harrison, der Linebacker der Steelers, hat mit seinen 110 Kilo nicht die besten Voraussetzungen dafür. Dennoch schaffte er es bis in die Endzone der Arizona Cardinals, nachdem er einen Pass des Arizona-Spielmachers Kurt Warner direkt an seiner eigenen Endzone abgefangen hatte. So stand es zur Pause 17:7 für Pittsburgh - statt 14:10 für Arizona - und das Spiel nahm den erwarteten Lauf für den Favoriten.

So geht Football: Die Steelers haben den 43. Superbowl schließlich 27:23 gewonnen, wie erwartet. Und doch hatte das Spiel einen unglaublich dramatischen Verlauf genommen, in den letzten paar Minuten vor dem Ende explodierte die Partie regelrecht: siebeneinhalb Minuten vor Schluss verkürzte Arizona auf 14:20, drei Minuten vor Ende stand es 16:20, 21 Sekunden später 23:20 für die Cardinals. "Wir waren gerade mal eine Minute vom Titel entfernt", stöhnte ein fassungsloser Kurt Warner später, aber diese Minute (es waren übrigens zwei) reichte den Steelers und ihrem Quarterback Big Ben Roethlisberger für den Sieg. Er beendete die Träume der Cardinals vom ersten Titel ihrer Geschichte 38 Sekunden vor dem Abpfiff mit einem perfekten Wurf in die äußersten Quadratzentimeter auf der rechten Seite der Endzone, wo Santonio Holmes das Ei mit grandioser Körperbeherrschung in äußerster Bedrängnis fing. Sieg, Superbowl. Der sechste für Pittsburgh.

Aber Football ist auch ganz anders. Keine starken Männer in mächtiger Rüstung, die sich Laufduelle liefern und harte Ringkämpfe. Football - und besonders dieser Superbowl - geht auch so: Ein älterer Herr, 71, der in Sportklamotten an der Seitenlinie der Steelers steht. In der Hand hält Dick LeBeau ein großes Blatt Papier, fein säuberlich eingeschweißt, sonst könnte es womöglich ein plötzlicher Regenguss durchnässen. Auf dem Papier sind die Spielzüge und Taktiken der Steelers-Verteidigung notiert. Damit verdient der ältere Herr sein Geld. Mit Spielzügen und Taktiken für die Abwehr. Seit nun 36 Jahren, vorher war er 14 Jahre Passverteidiger in der Footballliga. Seit 50 Jahren arbeitet er Football. Die Spieler nennen ihn Coach Dad.

Dick LeBeau hat den Zone Blitz erfunden. Eine Taktik, in der die Spieler eine bestimmte Aktion andeuten, dann aber eine andere ausführen: Mal täuschen sie Manndeckung an, dann wieder einen Angriff auf den Quarterback, aber was sie tun, ist nie vorherzusehen. Klingt ganz einfach, aber keine der vielen Kopien in der Liga kommt an die Steelers heran. Dick LeBeau trainiert die beste Abwehr der NFL.

James Harrison hat bei seinem abgefangenen Pass so getan, als wolle er Kurt Warner angreifen, ist dann aber in letzter Sekunde zur Manndeckung übergegangen. Und hat den Pass Warners abgefangen, der ihn ganz woanders wähnte. Und hat den Touchdown gemacht.

Larry Fitzgerald spielt Passfänger für Arizona. Er ist der beste dieser Saison, er hat in diesem Jahr uralte Rekorde gebrochen. Im Finale hat er vor dem letzten Viertel kaum einen Pass gefangen, Warner hat nur selten überhaupt in seine Richtung geworfen. Der beste Fänger der Liga spielte 50 der 60 Spielminuten praktisch keine Rolle. So hatte es sich Coach Dad ausgedacht. So ist es gekommen. Die Abwehr gewinnt Meisterschaften, und Dick LeBeau ist ihr Trainer.

Ein sportfernes Wort noch zum Boss. Bruce Springsteens Halbzeit-Show war reine Plastik. Eine Vorstellung, die damit beginnt, dass der Boss als Schattenriss mit seiner Gitarre posiert, sie dann aber sofort einem Helfer zuwirft, weil er sie für den ersten Song gar nicht braucht, so eine Show ist ein Fake von der ersten Sekunde an. Aber zum Glück bot die wahre Show an diesem Abend der Sport. Die Spieler im Flutlicht auf dem Platz, und, ganz bescheiden, ein älterer Herr an der Seitenlinie.

Auch interessant

Kommentare