Gaucks Geste ist ein Vorbild – aber nur für Politiker

Bundespräsident Joachim Gauck fährt nicht zur Winterolympiade nach Russland – ist das Terminproblem oder ein Boykott? Schon erklären die Sportfunktionäre nervös, Gauck habe nie einen Besuch in Sotschi geplant. Dabei muss man genau das als Geste verstehen, findet unser Kommentator. Und die sollte Schule machen.
Wenn zwei das Gleiche tun – oder eben nicht tun –, ist es längst nicht dasselbe. Bundeskanzlerin Angela Merkel fährt zum Beispiel nicht zur Trauerfeier für Nelson Mandela. Sie verweist darauf, dass Bundespräsident Joachim Gauck Deutschland dabei vertreten wird. Nichts spricht dafür, ihr das als Vorwand auszulegen und nach Symbolik darin zu suchen, dass sie nicht nach Südafrika reist.
Anders verhält es sich mit Gaucks Entscheidung, im Februar den Olympischen Winterspielen im russischen Sotschi fernzubleiben. Auch wenn der Deutsche Olympische Sportbund nach Bekanntwerden der Nicht-Teilnahme eilig zu Protokoll gab, Gauck habe einen Besuch in Sotschi nie geplant gehabt, darf man genau das sehr wohl als symbolische Geste lesen.
Der Bundespräsident hatte die Menschenrechtsverletzungen der Putin-Regime, die Drangsalierung der Opposition und die Behinderung der Pressefreiheit in Russland schon mehrfach öffentlich kritisiert. Aus ähnlichen Gründen sagte er im vorigen Jahr bereits ein ein Präsidententreffen im ukrainischen Jalta ab, Anlass war damals der Umgang mit Oppositionsführerin Timoschenko.
Der Stasi-Jäger will nicht dem Ex-KGB’ler aufwerten
Schon aus seiner Biografie als DDR-Kritiker und Stasi-Aufklärer heraus lässt sich verstehen, dass er wenig Lust verspürt, dem Ex-KGB-Agenten Putin die Hand zu schütteln und so zu helfen, das der Kreml das Sport-Großereignis für seine Inszenierung ausnutzen kann. Dass seine Sprecher das nicht bestätigen, ist vor allem kluge Diplomatie, die eine Eskalation verhindern soll.
Dennoch sollten sich weitere Politiker ein Beispiel an Gauck nehmen: Nicht die Athleten sollten Olympia boykottieren wie zu Zeiten des Kalten Krieges. Sie sollten den sportlichen Wettkmapf betreiben, um den es in Sotschi eigentlich geht und ansonsten selbstbewusst ihre Meinung sagen und zeigen.
Deutsche Politiker dagegen sollten abwägen, wem ihr Besuch in Sotschi tatsächlich nutzt – und ob ein Gauckscher Boykott nicht die klügere Entscheidung ist.