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Brisanz und Logik

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© dpa

Doping ist zum Breitensport geworden. In Freiburg wird nun republikweit die zweite Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Verfolgung von Dopingdelikten eingerichtet.

Von Frank Ketterer

Der Justizminister spricht plötzlich von Bällen – und vielleicht hat das damit zu tun, dass es an diesem Vormittag in Zimmer 024 der Staatsanwaltschaft Freiburg tatsächlich um Sport geht, wenn auch nicht um Fußball, sondern: Doping. „Die Sportverbände und allen voran der Deutsche Olympische Sportbund haben uns mit ihrer Forderung nach einer Bündelung der Ermittlungen den Ball zugeworfen“, sagt dort der baden-württembergische Justizminister Rainer Stickelberger (SPD). Zumindest sein Land hat diesen Ball mittlerweile aufgefangen: Zum 1. April wurde in Freiburg die nach München republikweit zweite Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Verfolgung von Dopingdelikten eingerichtet.

Dass ausgerechnet das gemütliche Städtchen an der Dreisam, eine Art historischer Sündenpfuhl in Sachen Doping in Deutschland, hierfür ausgewählt wurde, birgt nicht nur eine gewisse Brisanz, sondern auch eine Menge Logik: Die Freiburger Behörden konnten schließlich schon während der Verfahren wegen Doping-Missbrauch an der Universitätsklinik Erfahrungen sammeln. Diese sollen nun genutzt und möglichst schnell ausgebaut werden. „Ein Stück weit ist das Neuland für uns“, sagt Stückelberger.

Zwei Staatsanwälte sind seit Monatsbeginn landesweit für Verfahren zuständig, in denen es um die Verwendung von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Freizeit-, Amateur- und Berufssport geht. Um ausreichend Arbeit müssen diese sich wohl nicht sorgen. Im Vorjahr ist allein im Musterländle die Zahl der Ermittlungsverfahren in Sachen Doping auf 335 geklettert. Die meisten von ihnen seien, so Stickelberger, der Bodybuilding- und Fitnessszene zuzuordnen gewesen. Nicht ein Fall hingegen habe einen Profisportler betroffen.

Wirklich überraschen kann das nicht. Nach dem Arzneimittelgesetz, auf dem die staatsanwaltschaftliche Dopingverfolgung fußt, sind nur die Weitergabe, die Anwendung bestimmter Methoden bei Dritten sowie der Besitz nicht geringer Mengen bestimmter Substanzen strafwürdig. Selbst einem per positiver Probe als Doper überführten Sportler ist bei dieser Gesetzeslage schwer staatsanwaltlich beizukommen. Sich selbst gedopt zu haben, ist hierzulande keine Straftat.

Der Sport wehrt sich

Minister Stickelberger ist sich dieses Problems bewusst. „Ermittelt werden kann nur auf Basis des geltenden Gesetzes. Diese Basis ist schmal“, stellt er fest. Umso mehr gehe es um die Frage, wie besagte Basis verbreitert werden könne, also: „Wie mit politischen Mitteln ein Straftatbestand erreicht werden kann“. Sein Vorschlag: „Der Katalog der Strafbarkeit muss erweitert werden, zum Beispiel um das Thema Sportbetrug.“

Just gegen diese Erweiterung haben sich der Sport, aber auch die Politik, bislang gewehrt. Stickelberger appelliert nun an beide. Die Sportverbände, namentlich DOSB-Präsident Thomas Bach, fordert er auf, „dass sie jetzt auch ihren Teil der Mitarbeit leisten“, um des Problems Herr zu werden. Vom Bund wiederum erwartet der SPD-Mann, „dass er das Thema Sportbetrug angeht.“ Falls nicht, will Stickelberger über den Bundesrat aktiv werden – am besten in einer Allianz mit anderen Bundesländern. „Wir brauchen da Verbündete“, weiß er.

Einer Verbündeten kann sich der Mann aus Baden-Württemberg schon jetzt wohl gewiss sein. Bayerns Justizministerin Beate Merk macht schon seit geraumer Zeit darauf aufmerksam, dass die aktuellen Gesetze eine konsequente Verfolgung von Dopingstraftaten nicht zulassen. Die Erfahrungen der Münchner Schwerpunktstaatsanwaltschaft Doping hat die CSU-Politikerin in einem FAZ-Interview so formuliert: „Die Kritik meiner Staatsanwälte ist eindeutig: Es fehlt an den notwendigen Instrumenten.“ Rainer Stickelberger würde seinen Mitarbeitern diese Erfahrung gern ersparen.

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