Bobbys für den Bomber

Die Ankunft des FC Bayern löst in England umgreifende Nervosität aus. Der Star der deutschen Mannschaft ist Gerd Müller, früher Bomber der Nation, jetzt Maskottchen. Von Markus Lotter
Der Mann vom Reinigungsdienst kann sich mit seinem teleskopischen Greifarm gar nicht mehr auf all den Unrat konzentrieren, der vom ungemütlichen Wind vor dem Flughafen von Manchester hin und her getrieben wird. Er blickt immer wieder auf seine Armbanduhr. Etwas Großes muss bevorstehen. Ein paar Meter weiter rücken Autogrammjäger mit ihren Fotomappen von der einen Seite an, von der anderen Sicherheitskräfte und eine Hand voll Bobbies, die hier im Norden Englands offensichtlich auch mal locker sein dürfen.
Es ist kurz vor 14 Uhr Ortszeit in Manchester. Gleich landet der FC Bayern, der im Viertelfinalrückspiel der Champions League am Mittwoch (20.45 Uhr/live bei Sat 1.) bei Manchester United anzutreten hat. Der deutsche Rekordmeister hat Verspätung. Und man ist doch einigermaßen erstaunt, welch umgreifende Nervosität die Ankunft einer deutschen Mannschaft auf der Insel verursachen kann. Hier im Ballungsgebiet Liverpool-Manchester, wo die Menschen von Spitzenfußball verwöhnt sind. Wo man als Kind die Qual der frühen Farbenwahl hat: Blau (Manchester City) oder Blau (FC Everton) oder aber Rot (FC Liverpool) oder Rot (Manchester United).
Jetzt meldet ein englischer Journalist: Sie sind da. Uli Hoeneß, der Präsident, betritt als Erster die enge Ankunftshalle im Terminal eins. Das lässt er sich nicht nehmen. Es folgen der Vorstand und dann die Mannschaft und der Trainerstab. Manche gelangen unerkannt zum wartenden Mannschaftsbus, andere wiederum, wie Franck Ribéry oder Arjen Robben, werden heftig bedrängt. Ribéry genießt die Aufregung um seine Person, Robben, der am Ostermontag einen Fitnesstest bestanden hat, bahnt sich flugs mit Doppeltrolley einen Weg durch die Menge. Später wird er sagen: "Ich bin nicht nach Manchester gekommen, um auf der Tribüne zu sitzen. Ich bin bereit." Ob der niederländische Flügelflitzer von Beginn an loslegen darf, soll sich erst kurz vor Spielbeginn entscheiden.
Miroslav Klose, der sich aufgrund des hohen Konkurrenzdrucks im Kader der Bayern sogar auf der Tribüne des Old Trafford wiederfinden könnte, wird von einem Fan mit deutschem Nationaltrikot samt seinem Namenszug und einem dicken Filzstift überrascht. Er winkt ab. Doch der Star des Nachmittags ist ein anderer: Gerd Müller, früher Bomber der Nation, jetzt Maskottchen der Bayern. Zwei Bobbys braucht es, um ihn in Sicherheit zu bringen, der mit seinen Toren die bisher erfolgreichste Ära der Münchner getragen hat.
Welch wunderbar chaotischer Auftakt zu einer 48-Stunden-Reise, von der sich die Münchner so viel erwarten. Nämlich dass man von den internationalen Großklubs nicht mehr nur wegen des kaufmännischen Geschicks, sondern eben auch sportlich respektiert wird. Ein Schwergewicht will man wieder sein, so wie früher. Und der erste Vorstoß in ein Halbfinale der Champions League seit dem Titelgewinn im Jahre 2001 ist die Voraussetzung dafür. Schon jetzt soll gelingen, was man vor der Saison nicht zu träumen wagte.
Eine Stunde nach der Landung gibt Trainer Louis van Gaal im Mannschaftshotel der Bayern eine letzte Pressekonferenz vor der Begegnung mit dem englischen Meister. Dabei geht der Niederländer noch einen Schritt weiter. Er sagt: "Sicherlich würde uns das Halbfinale etwas bedeuten, aber ein Spitzensportler will immer noch mehr. Das war auch bei mir so: Auch ich habe mich nur so richtig gefreut, wenn ich am Ende auch den Pokal gewonnen habe."